Rectify
Rectify ist eine Dramaserie von 2013-2016. Sie handelt von einem vermutlichen Straftäter Daniel Holden der nach 19 Jahren aus der Todeszelle freikommt. Es geht um die Eingliederung des Ex-Häftlings in die Gesellschaft, besonders in seine Familie. Allgemein dreht sich alles um die zwischenmenschlichen Beziehungen, die nach der Rückkehr von Daniel alle auf Herz und Nieren geprüft werden. Es existieren 4 Staffeln. Die finale Episode wurde letzte Woche ausgestrahlt.
Erstmal eine Warnung an die Menschen die mit einer langsamen Erzählweise und einem ereignisarmen Plot nichts anfangen können. Die Menschen die nach der ersten Episode von Mad Men sofort abgeschaltet haben, bitte tut euch dies nicht an. Diese Serie ist noch eine Stufe ruhiger. Sie hat schon fast eine schleichende, meditative Art und Weise wie sie sich präsentiert.
Meine Eindrücke zu Rectify:
Es ist einer der emotional intensivsten Serien die ich je verfolgt habe. Sehr realistisch und authentisch von den Darstellern gespielt. Es steht zwar eine Straftat vor 19 Jahren im Hintergrund, die aufgeklärt werden möchte, keiner aber ein Crime-Puzzle oder eine Schnitzeljagt mit einer Auflösung erwarten darf. Das zentrale Thema ist ein komplett anderes.
Eines der allergrössten Stärken dieser phantastischen Serie ist, dass sie ihr volles Potenzial, ihre gesamte Wucht, durch ihre Dialoge und Monologe erreicht. Die Düsterheit und Gewalt wurde nie explizit in Bildern gezeigt, transportiert aber genau diese Aspekte nur durch ihre Darsteller und ihrer Monologe. Wenn sowas auf der Leinwand dargestellt werden möchte, dann nur durch exzellente Schauspieler. Und mit sowelchen haben wir es hier zu tun.
Mir sind nur ganz wenige Serien bekannt die auf die innere Entwicklung der Figuren so einen grossen Wert legt. Beziehungen und Dialoge geschehen schon fast wie in einem Kammerspiel. Es gleicht einer Charakterstudie. Die Facetten der Figuren wurde in eine Stille durchläuchtet, jeder einzelne Winkel von ihnen, in so einer Komplexität dass die Emotionen die für den Zuschauer enstanden, sich aber niemals in Richtung Kitsch bewegen konnten. Einer der realistischsten Charakterzeichnungen von der ich jemals Zeuge war.
Und wenn man die letzte Folge der letzten (4.Staffel) sieht, weiss man dass der emotionale Spielraum für alle Darsteller, von den Autoren, komplett ausgenutzt wurde.
Es hat hier sehr viel mit Empathie der Zuschauer und deren Figuren in einer Serie zu tun.
Einer Serie die so wenig auf Plot setzt, aber auf andere wichtige Elemente, würden ein oder mehrere Spoiler keinen Qualitätsabfall bewirken. Nicht mal wenn man die Story der einzelnen Staffeln detailliert widergibt. Die Magie der Serie ist so in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen und der Charakterarbeit verwurzelt, dass ihr in dem Sinne von aussen (durch Spoiler) die Qualität nicht entzogen werden kann.
Man muss sich wirklich darauf einlassen, im späteren Verlauf wird man garantiert dafür belohnt. Es offenbart sich einer der grössten Drama-Serien unserer Zeit und hat auch eine wunderschöne Message für uns parat. Ich war wirklich sehr oft davor Tränen zu lassen, das ist kein Witz.
Die Einschaltquoten waren miserabel, zum Glück aber hat man die Serie plangemäss vollendet. Das Ganze mit den Quoten erinnert etwas an "The Americans", aber ist wie wir wissen, kein Qualitätsmerkmal für eine Serie. Auch "The Wire" hatte katastrophale Quoten und wurde erst mit der späteren DVD-Veröffentlichung ein ganz grosser Hit.
Das kann ich nicht oft genug wiederholen.
Vielleicht achtet man in den nächsten seriösen Artikeln in Zeitungen einfach einmal wie über die genannten Serien "geredet" wird.
Das "Goldene Zeitalter des Fernsehens"
Die Ära "The golden Age of Television" wurde damals mit den Sopranos losgetreten und es wurden in der Zeit einige Serien populär die sich ganz grob gesagt um "Antihelden" drehten. The Wire wurde geboren, die Tony Sopranos und die Heisenbergs (Breaking Bad) kennt heute schon fast jeder. Um nur die berühmtesten ihrer Art zu nennen.
Der letzte Vertreter dieser Art, erzählt man sich, ist "The Americans".
Don Draper, der Protagonist der Serie Mad Men gilt zwar als eine Art Antiheld, aber er schlägt die Brücke zur "neuen Ära". Er ist praktisch dieses Bindeglied zwischen Goldenem Zeitalter und der neuen Ära.
Don Draper's Entwicklung in 7 Staffeln schafft genau diese Empathie zu seinem Publikum. Im neuen Zeitalter geht es, wie schon erwähnt, um das Mitgefühl zwischen dem Zuschauer und den Charakteren einer Serie. Man möchte eine emotionale Bindung schaffen.
Einige Vertreter der neuen Ära, die dieser Charakteristik oder diesem Merkmal ausgesetzt sind, möchte ich mal aufzählen. Einer der wichtigsten, weil sie auch sehr oft genannt werden wenn es um die neue Ära im TV geht.
Diese wären: Mad Men, The Leftovers, Orange is the new black (Dramedy), BoJack Horseman (Animationsserie), Broad City (Comedy), Hannibal und Rectify.
Es gibt sicherlich noch einige die man bezüglich des Merkmals Empathie nennen könnte. Für mich zählt "Six Feet Under", das ja schon im vorrigen Zeitalter ausgestrahlt wurde, eigentlich auch dazu. Das Fernsehen braucht unbedingt wieder so Serien wie die eben genannte. Rectify war eigentlich genau dieser Ersatz dafür. Deswegen ganz klar eine Top 10 der abgeschlossenen Serien. Vielleicht auch Top 5, aber das muss man noch wirken lassen.
Zu
Mad Men werde ich persönlich nicht mehr so viel schreiben, weil es deutlich den Rahmen sprengen würde. Muss sich jeder ein eigenes Bild von machen. Was ich für mich sagen kann, sie ist eine Top 3 Serie. Habe sie vor einem 1/2 Jahr beendet und musste die ersten Staffeln auch sehr viel Geduld aufwenden. Einige Folgen waren auch nicht perfekt. Staffeln zogen sich, da auch sehr ereignisarm. Glaube ich habe es langsam gemacht und sie in circa 2 Jahren beendet. So nebenbei, sie eignet sich auf gar keinen Fall zum Binge-watchen (durchsuchten). Don Draper's Charakter ist in die Geschichte eingegangen. Ein Phenomen. Das muss jeder irgendwann mal gesehen haben falls man sich für Individuen und deren Entwicklung interessiert. Meine absolute Lieblingsfigur muss ich zugeben. Ich werde ihn sehr vermissen.
Diese Werbeagentur, in der es ja in dieser Serie geht, fand ich von Anfang an nicht mein Ding, aber das änderte sich mit der Zeit weil die Figuren interessant wurden. Nicht nur die Hauptfigur.
Und
Orange is the new black wurde erst in der 4. Staffel für mich interessant weil sie sich langsam von dieser komödiantischen Art zu einem komplexen Drama entwickelt. Die Staffeln davor waren so naja, mal gut, mal unnötig.
Die 4. Staffel bedient sich dem Merkmal der emotionalen Bindung und es fruchtet. Klasse 4. Staffel und ich hoffe man behält diese Neuausrichtung bei.
Frohe Weihnachten an alle Serienjunkies und Barcafans.