Es fröstelt mich leicht, als ein feuchter Luftzug den Weg auf meine Haut findet. Drum binde ich meinen blau-rot gestreiften Schal etwas fester. Eigentlich würde ich an so einem nebeligen, kalten Novembernachmittag eine warme Tasse Tee auf dem Sofa bevorzugen, doch ich habe ein Ziel, welches mich dazu bewegt, meinen Mantel anzuziehen und meine Schritte über die leeren Straßen gleiten zu lassen. Der mich einhüllende Nebel ist ein bisschen mysteriös, aber nicht unheimlich, löst in mir eher ein Gefühl der Stille und Ruhe aus. Dass ich auf meinem Wege niemandem begegne, bin ich gewohnt, aber die äußeren Faktoren bestärken diesen Umstand noch um einiges mehr. Ich sehe nicht viel, doch das ist egal – den Weg kenne ich in- und auswendig, bin ich ihn doch schon hunderte Male gegangen, oft sogar täglich. Der Brunnen in der Mitte des Plaça de l'esponja ist ausgetrocknet, die alte Pinie ragt wie ein Skelett in den Dunst über mir. Hier an der Ecke ist es. Ich höre Musik, Gelächter, anstoßende Gläser und eine schreiende Katze. Doch diese Geräusche entstammen lediglich meiner Erinnerung. Um mich herum herrscht nur kalte Stille. Das Schild an der Tür steht auf „geschlossen“, drinnen sind alle Lichter aus. Schon lange hat sich niemand mehr die Mühe gemacht, die Aufschrift „Barçawelt-Stammtisch“ über dem Eingang in „Farçawelt-Stammtisch“ zu ändern, weil er glaubte, uns damit ärgern zu können. Es läse sowieso keiner. Als ich die Tür öffne, kommt mir der vertraute Geruch von altem Holz entgegen, vielleicht in bisschen modrig, aber ich mag es, habe es immer gemocht. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit adaptiert haben, schaue ich mich um. Zu beiden Seiten stehen die rustikalen Tische, die Stühle sind natürlich hochgestellt, schon seit geraumer Zeit. Früher machten wir uns gar nicht erst die Mühe, die Stühle hochzustellen. Hier an der Ecke spielten wir bis spät in die Nacht Skat, bis der erste vom Stuhl fiel. Johann schlief dann meist schon mit dem Kopf auf der Theke. Als ich mit meiner Hand über die Theke wische, wirbelt ein Wölkchen aus Staub auf, welches in den letzten Lichtstrahlen, die von außen hineinscheinen, glänzt. Der Wasserhahn tropft noch immer, die Gläser im Regal sind verblichen. An der Wand hängen etliche Bilder aus vergangenen Zeiten, die Tippspielsiegerliste, auf der für die Spielzeiten 2013/14, 2014/15 und 2015/16 der Name „Joker“ geschrieben steht, weiterhin diverse signierte Fanartikel und gut sichtbar der alte Lederball, den wir vor jedem Spiel antippten, weil wir glaubten, das bringe Glück. Von jedem Platz aus gut sichtbar hängt der was-weiß-ich-wie-viel-Zoll-große Flachbildfernseher im Raum. Vor diesem haben wir zusammen gezittert, zusammen gefiebert, zusammen gefeiert und zusammen getrauert. In Erinnerungen schwelgend bemerke ich nicht, wie die Dunkelheit mittlerweile den ganzen Raum erfüllt.
... und das alles begann, als Xavilla zum Stammtischpräsidenten gewählt wurde. Danke Xavilla.