Fehlende Flexibilität von Koeman
Die Auftritte der Blaugrana in der Champions League machten den Cúles zuletzt noch ein Stückchen Hoffnung, gegen die Außenseiter Kiew und Budapest feierte Barça jeweils auswärts deutliche Siege. Das lang ersehnte Aufeinandertreffen von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo wurde jedoch zu einer einseitigen Angelegenheit, weil Barça erneut wenig einfiel, um die Partie für sich zu entscheiden.
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Ronald Koeman vertraute erneut seinem 4-2-3-1-System. Aufgrund der Ausfälle der etatmäßigen Flügelspieler Ansu Fati und jüngst auch wieder Ousmane Dembélé bespielten Trincāo und Pedri die Außen. Beide zog es immer wieder ins Zentrum, welches sich nach und nach verdichtete. Das lag zwar auch an der geballten Defensivarbeit der Turiner, nicht selten aber standen sich die Koeman-Schützlinge auf den Füßen. Breite kam so nur in seltenen Fällen zustande. Die Außenverteidiger Sergiño Dest und Jordi Alba leisteten wie gewohnt Unterstützung im Angriffsspiel, dem Duo gelang es jedoch ebenfalls nicht, die gegnerische Hintermannschaft zu entzerren.
So spielte Barça Pass um Pass rund um den Strafraum des Gegners ohne dabei den Hauch von Gefahr auszustrahlen. Statt den Abschluss zu suchen wurde der Ball oft noch ein weiteres Mal abgegeben, beispielsweise hatte Miralem Pjanić den Anschlusstreffer auf dem Fuß, spielte aber noch quer auf Dest (22.).
Auch die fehlende Tiefe war deutlich zu erkennen, abermals gab es kaum bis gar keine Läufe hinter die Turiner Abwehr oder gar an die Grundlinie. Zu ungefährlich, zu berechenbar und mit dem Kopf durch die Wand - das waren die Probleme nach der vergangenen Niederlage bei Cadíz in der Liga - diese sind übertragbar auf das Scheitern gegen die Elf von Andrea Pirlo.
Koeman schaute sich das Geschehen von der Bank aus an, nahm die Probleme seiner Mannschaft während des Spiels sichtlich wahr, ein Eingreifen war jedoch nicht zu erkennen. Das Team agierte plan- und kreativlos, wie auch der Trainer, der starr auf sein System vertraut, ohne grundlegende Veränderungen an der Statik vorzunehmen.
Abgang von Luis Suárez wiegt schwer
Wenn alles nicht hilft, dann muss halt Lionel Messi herhalten. Das Mittel zum Zweck hat in der Vergangenheit oft genug ausgereicht, doch in den vergangenen Wochen und Monaten gelingt auch das nicht mehr so häufig. Insgesamt acht Schüsse gab der Kapitän auf das gegnerische Tor ab, die meisten aller Spieler auf dem Rasen. Sechs davon kamen jedoch außerhalb des Strafraums und waren für Gianluigi Buffon kaum Schwerstarbeit, der sonst eher einen ruhigen Abend hatte.
Versuche anderer Akteure im Trikot der Blaugrana suchte man nämlich vergeblich. Zu leichtfertig gingen die Kollegen mit ihren Bemühungen im vordersten Drittel um. Beispielsweise Antoine Griezmann ließ eine gute Möglichkeit liegen, obwohl dieser freistehend im Strafraum nahezu alle Zeit der Welt hatte und dennoch verzog (68.). Der Franzose strahlte als Neuner wieder wenig Gefahr aus, setzte immerhin einen Kopfball auf den Querbalken (58.).
Im zweiten Durchgang rückte die Nummer 7 dann auf die Außen, weil Martin Braithwaite zur Halbzeitpause eingewechselt wurde. Der Däne kam jedoch nur auf 18 Ballkontakte und zu einem einzigen Abschluss, so nahm der Stürmer fast gar nicht am Spiel teil. Die 90 Minuten gegen Juventus haben erneut gezeigt, wie schwer der Abgang von Luis Suárez im vergangenen Sommer zu Atlético Madrid wiegt und wie sehr der FC Barcelona einen Angreifer seines Formats in den eigenen Reihen braucht.
Abwehrchef Lenglet in Formkrise
Die Offensive der Blaugrana war zu harmlos, die Defensive tat es ihr gleich und stand stattdessen unter Dauerstrom. Die Gäste kamen immer wieder zu Kontern, die aufgerückten Mittelfeldspieler sowie Außenverteidiger rissen riesige Lücken in der Hintermannschaft. So standen Clément Lenglet und Ronald Araújo vor einer Mammutaufgabe, der sie nicht gewachsen waren.
Araújo verursachte gleich in der Anfangsviertelstunde einen Elfmeter, der keiner war und für die frühe Führung der Turiner sorgte (13.). Nur wenige Minuten später erhöhte Weston McKennie sehenswert. Vorangegangen war ein zögerliches Attackieren Lenglets, der den Mittefeldspieler anschließend nicht weiterverfolgte und so dem US-Amerikaner ausreichend Platz für dessen Abschluss ließ (20.).
Beim dritten Gegentreffer stand der Franzose dann selbst im Rampenlicht, ein stümperhaftes Handspiel des 25-Jährigen sorgte für den zweiten Elfmeter des Abends und den späteren Endstand (52.). Kurz darauf war Schluss für Lenglet (Barçawelt-Note 2), der nach der Verletzung Piqués plötzlich die Rolle des Abwehrchefs ausfüllen muss und sich damit merklich schwertut - der Auftritt gegen Turin stellte das erneut unter Beweis. Schon in Cadiz hatte der Franzose unerklärliche Aussetzer.
Samuel Umtiti, der für seinen Landsmann in die Partie gekommen war, gab nach sechsmonatiger Verletzungspause endlich sein Comeback - Umtiti wird jedoch noch einige Zeit benötigen, um wieder bei voller Spielpraxis anzugelangen, bis dahin bleibt Lenglet weiterhin in der ungewollten Rolle des Abwehrchefs. Mit dieser Rolle scheint der Ex-Sevilla-Akteur derzeit komplett überfordert zu sein. Eigentlich bräuchte Lenglet selbst einen Abwehrchef neben sich, der ihn führt.
Kommentare
Trotzdem muss man kritisieren, dass er ein System spielen will für das die Mannschaft nicht ausgelegt ist. Hier werfe ich ihm einfach mangelnde Flexibilität vor. Der viel gescholtene Ernesto Valverde hat pragmatisch gespielt und hat uns so aufgestellt um das maximalste aus dieser Mannschaft herauszuholen. Wir haben eigentlich ziemlich erfolgreich unter Valverde gespielt muss man sagen und sehr schnörkellos. Hut ab!
Wenn ich also diese Trainer bewerten müsste würde ich sagen, dass Valverde der intelligenteste war gegenüber Setien und Koeman, weil er einfach die Aufstellung nach den Möglichkeiten die er hatte machte. Unabhängig davon was er persönlich will. Hier hat er die Mannschaft über seinen Präferenzen gestellt. Er war nicht umsonst von fast allen Spielern hoch geschätzt und respektiert. Ihn haben leider die peinlichen Niederlagen gegen Roma und Liverpool den Kopf gekostet.
Setien wollte sturen Ballbesitzfußba ll, Koeman will das sture 4231 durchsetzen. Das ist mir viel zu starr. Es müssen Lösungen her. Plan B und eventuell auch Plan C! Stur seinen Plan A zu verfolgen ist nicht mehr zeitgerecht.
Das letzte Spiel unter Valverde, die 2:3 Niederlage gegen Atlético, war eines der besten Spiele von Barça. Sie waren sehr dominant. Jetzt so im Nachhinein frage ich mich, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, an Valverde festzuhalten. Er hat uns 2x mal die Meisterschaft gebracht. Auch in der CL war er sehr erfolgreich, bis auf diese zwei harten Niederlagen.
Wahrscheinlich übertreibe ich jetzt, aber ich habe das Gefühl, unter Valverde hätten wir gegen die Bayern nicht so haushoch verloren...
Koeman ist alles andere als ein Heilsbringer, jedoch hat er immerhin Rakitic, Vidal, Suarez und Semedo aussortiert, wenngleich ich mir gewünscht hätte er hätte Vidal behalten! Koemans Pech war, dass er seine Wunschtransfers nicht bekommen hat und die finanzielle Schieflage mit voller Wucht zu spüren bekommt!
Die Frage, die ich mir stelle ist, ob es mit Xavi wirklich besser wird. Denn das umstellen auf 433 und der Einbau möglichst vieler La Masia Spieler wird nicht das Allheilmittel sein, wenn man die Situation realistisch und ohne Fanbrille betrachtet.
Und wenn sich nicht bald etwas an der grundlegenden Spielidee ändert, dass vier oder fünf Spieler im Schlafwagentemp o durch die Mitte rollen wollen um den Ball ins Tor zu tragen, wird es auch in der Liga höchstens für das Mittelfeld reichen.
Und diese sture und unflexible Spielidee (eigentlich eher das Fehlen einer solchen) ist ja schon seit Valverde zu beobachten, nur dass jetzt auch die kleinen Gegner immer besser damit zurecht kommen.
Wie soll sich aber etwas ändern, wenn unendlich viel Geld für Spieler ausgegeben wurde, die nicht funktionieren und Spieler kostenlos weggejagt wurden, die wir jetzt bitternötig hätten. Wenn Messi noch ablösefrei geht, dann hat sich der Kreis geschlossen und wir werden auf Jahre hin an den Folgen zu knabbern haben.