Taktik und System: So könnte Quique Setién Barça spielen lassen

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Quique Setién steht für Ballbesitz à la Cruyff und Guardiola. Doch wie könnte das Spiel des FC Barcelona unter ihm genau aussehen? Wir haben uns Setiéns Strategie und Taktik einmal etwas genauer angeschaut. So könnte Barças neuer Coach die Katalanen spielen lassen.

Unter Ernesto Valverde haben viele Culés gelitten, wenn es um die Ästhetik des Fußballs ging. Nun ist Quique Setién neuer Trainer des FC Barcelona – mit ihm kehrt Barça zur Philosophie Johan Cruyffs und Pep Guardiolas zurück. Viel Ballbesitz, Kreativität, ein flüssiges Positions- und Kombinationsspiel – die Rückbesinnung auf glorreiche Zeiten sozusagen.

Die Verpflichtung Setiéns ist unfassbar spannend und kann auf ganz verschiedene Weisen enden. Wir werfen einen Blick auf Setiéns Strategie und Taktik sowie darauf, was die Culés vom neuen Barça-Coach taktisch und systematisch erwarten können.

Taktik bei Betis:

In seiner Zeit bei Real Betis vertraute Setién zumeist auf ein 3-4-2-1 oder auch ein 3-4-1-2. Im Fokus seiner Philosophie stand bekanntermaßen der Ballbesitz. Setién will den Ball immer haben. Das führt besonders in tiefen Zonen zu langen Ballbesitzphasen. Setiéns System sah bei seiner letzten Station in Sevilla in der Regel wie folgt aus:

1Betis

 

Man kann dem 61-Jährigen (ein Teil der Betis-Fans hat das zum Ende der letzten Saison auch getan) vorwerfen, dass man den Ball zu lange im eigenen ersten Drittel hält und dabei sehr ungefährlich wirkt. Im Aufbauspiel warten seine Teams sehr geduldig auf sich öffnende Lücken. 

Da das zum Ende seiner Amtszeit bei den Verdiblancos oft geschah, wirkte der Ballbesitz oft zwecklos. In den Monaten vorher fand man diese Lücken aber oft und es entfaltete sich ein spektakuläres Kombinationsspiel. 

Immer wieder schaffte man es, den Gegner so anzulocken, dass man umschaltartige Aktionen aus dem eigenen Ballbesitz kreieren konnte. Betis erzeugte in Ballnähe stets Überzahl, die beiden nominellen Zehner (Lo Celso und Canales) bewegten sich gerne nah aneinander, um besser miteinander zu kombinieren. 

Betis wollte Pässe vor allem in die Halbräume zwischen die Linien spielen. Besonders Sergio Canales stach dabei durch ein grandioses Positionsspiel heraus. Wurden einmal Linien überspielt, konnte Betis die dadurch gewonnene Dynamik meist sehr intelligent ausspielen. 

Betis war eine der am besten anzuschauenden Mannschaften Europas. Innenverteidiger rückten bis an den gegnerischen Strafraum auf, das Kombinationsspiel erinnerte an die besten Ballbesitz-Mannschaften des letzten Jahrzehnts. Aber warum endete all das in der Entlassung Setiéns? 

Taktische Schwächen:

Zunächst sei angemerkt, dass Setién in der letzten Saison nicht das beste Personal zur Verfügung stand. Besonders die Innenverteidiger zeigten keine guten Leistungen, es gab keinen treffischeren Stürmer und die Außenverteidiger fielen länger verletzt aus. 

Trotzdem: Es gab auch strukturelle Probleme. Setién kann in seiner Philosophie dogmatisch wirken, ihm fielen auf die vielen Probleme nicht die richtigen Lösungen ein. So wechselte er zuletzt sogar noch seine Formation. Darunter litt das Positionsspiel allerdings wieder. 

Das Ergebnis: Wenig ertragreicher Ballbesitz. Ein noch größeres Problem war aber die Defensivleistung. In der vergangenen Saison kassierte Betis 52 Tore, die Spielzeit davor satte 61 (und wurde trotzdem Sechster!). 2016/17 waren es bei seiner vorherigen Station Las Palmas unter ihm sogar 74 Gegentore (und der 14. Platz). 

Setién setzt oftmals alles auf den Angriff, die Defensive wird dabei etwas vernachlässigt. Besonders im Umschaltspiel waren seine Teams stets sehr anfällig. Wenn die Offensive aber funktionierte, war das oftmals gar kein so großes Problem, da man einfach mehr Tore als der Gegner schoss. 

Abseits der Taktik:

Setiéns Philosophie beruht auf den Ansichten Johann Cruyffs und Pep Guardiolas. Diese Philosophie scheint man sich bei Barça nach der Amtszeit Valverdes mehr als alles Andere zurückzuwünschen. Das liefert Setién – das sollte die Fans des FC Barcelona immerhin kurzfristig zufriedenstellen. Denn zumindest die Dominanz, die sollte direkt zurückkehren.

Des Weiteren wirkt Setién unfassbar charismatisch und wie eine klassische Autoritätsperson. Das wird ihm bei Barça sicherlich helfen. Zudem ist er exzellent darin, ein Projekt aufzubauen und Spieler zu entwickeln (wobei das die meisten Barça-Spieler wohl kaum mehr brauchen). 

Die Frage ist: Bekommt er die Zeit dafür und hat er die richtigen Voraussetzungen? Bis die Ideen Setiéns komplett funktionieren, wird es dauern, der Trainerwechsel mitten in der Saison hilft auch nicht. Zudem ist der Kader noch kein Setién-Kader. 

Barça unter Setién:

Das Lieblingssystem Setiéns, das 3-4-2-1, ist (aktuell) wohl schwerlich auf Barcelona zu übertragen. Zwar wären Griezmann und Messi als Spieler zwischen den Linien sehr spannend, aber aufgrund der Verletzung von Suárez, der vier Monate ausfällt, fehlt aktuell einfach ein richtiger Mittelstürmer.

2FCB 

Setién könnte auch auf das 3-5-1-1 / 3-5-2 umstellen, mit Griezmann (und Messi) als mobile Stürmer und Arthur (oder Vidal für mehr Wucht) als extra Achter. Ein großes Problem bleibt aber auch dabei: Barça hat aktuell durch die Todibo-Leihe zu Schalke nur drei Innenverteidiger. Die Dreierkette könnte der Neu-Coach situativ nutzen, allerdings fehlt es nun an einem Back-up in der Defensive.

3FCB

 

Zwar wäre Piqué eine Idealbesetzung (groß, starker Spielaufbau) als zentraler Innenverteidiger in der Dreierkette, allerdings sind sowohl Umtiti als auch Lenglet Linksfüßer, was äußerst suboptimal ist, denn es fehlt so an einem Rechtsfuß für den Part des rechten Innenverteidigers. Auf dieser Position (im obigen Bild bekleidet diese Umtiti) wäre Piqué keine Idealbesetzung, eben weil er so groß, unbeweglich und langsam ist.

Grundsätzlich hat Barça zwar drei gute Abwehrspieler für eine Dreierkette, aber eben nicht den richtigen Mix. Hier hätte Todibo von großem Nutzen sein können. Womöglich beruft Setién einen Verteidiger von Barça B zu den Profis, hier böte sich Ronald Araújo an – sofern die Katalanen nicht sogar noch einmal auf dem Transfermarkt zuschlagen. Je nachdem, wie häufig Barcelonas neuer Übungsleiter auf die Dreierkette umstellen möchte.

Gerechnet werden darf daher eher mit dem klassischen 4-3-3 mit Griezmann als Stürmer. Aus diesem System kann man – durch das Fallenlassen von Busquets/de Jong – immerhin eine Dreierkette kreieren und so aus einer ähnlichen Grundordnung wie bei Betis aufbauen, da die Flügelverteidiger Alba und Semedo/Roberto wie üblich hoch stehen und angriffslustig sind. So wird ein ursprüngliches 4-3-3 im Spiel situativ im Ballbesitz zu einem 2-1-4-3.

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Letzteres Szenario könnte in einer spannenden Dynamik zwischen Dembélé und Griezmann enden, bei der Dembélé vom linken Flügel aus immer mal in die Stürmerrolle wechselt und Tiefenläufe startet, während Griezmann sich zwischen die Linien fallen lässt – etwas, das er gut beherrscht und bei Atlético Madrid und der französischen Nationalmannschaft immer wieder getan hat.

5FCB

Barça muss den Kader im Sommer verstärken

Was jedoch abgesehen davon auffällt: Dieser Kader braucht dringend Verstärkungen. Ein Stürmer müsste nach der Verletzung von Suárez eigentlich die Priorität sein. Sieht Setién Griezmann als Mittelstürmer, wäre auch ein Flügelspieler eine sinnvolle Verstärkung, genauso wie ein Rechtsfuß als spielstarker und mobiler (rechter) Innenverteidiger.

Angesichts der anhaltenden Wechselgerüchte um Rakitic und Vidal, die wohl spätestens im Sommer vor dem definitiven Abgang stehen, wäre ein spielstarker Achter ein weiteres potenzielles Transferziel, sofern Setién Riqui Puig nicht direkt in die Profimannschaft befördert und dauerhaft auf ihn setzen sollte. Auch Carles Aleñá als Achter/Zehner mit Zug zum Tor dürfte ins Setién’schen System gut reinpassen, wenn er im Sommer zur Blaugrana zurückkehrt.

Der neue Chefcoach kommt mit Blick auf die Kaderplanung in einem sehr wichtigen Moment zu den Katalanen. Die Säulen des Klubs um Piqué, Alba, Busquets, Rakitic, Vidal, Messi und Suárez sind alle über 30 Jahre alt, die Ära dieser Generation geht zu Ende. Diesen Umbruch anzuleiten wird eine Riesenaufgabe für Setién sein. Denn für Setiéns System ist auch das Gegenpressing von elementarer Bedeutung. Barças alternde Stars hatten damit unter Ernesto Valverde zuletzt immer wieder einige Probleme.

Skepsis ist also durchaus angebracht. Setién ist ein guter Trainer, der Barça im Optimalfall wieder zu seinem besten Fußball zurückführt. Es lassen sich allerdings auch genug Gründe finden, die das Gegenteil vermuten lassen. So oder so: Setién bei Barça zu sehen, wird unfassbar spannend werden. Gerade aus taktischer Sicht.

 

Ein Gastbeitrag von Alexander Rudies, Sportwissenschaftsstudent und Blogger über den internationalen Fußball. Ihr könnt ihm auf Twitter folgen. Der Artikel wurde von Alex Truica editiert und ergänzt.

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