Der FC Barcelona und die Innenverteidigung: Ist die nächste personelle Krise nur eine Frage der Zeit?

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Die Fans und Angestellten des FC Barcelona plagten sich jahrelang mit der Angst, dass man auf der Innenverteidigerposition zu knapp besetzt sei. Carles Puyol stand immer wie eine Mauer, aber die Akteure neben ihm beunruhigten die Culés häufig – selbst ein Gerard Piqué wusste nicht immer zu überzeugen. Hinzu kam das Problem, dass man auch keine Breite in der Innenverteidigung hatte. Diese Probleme scheinen aktuell gelöst zu sein, doch entspricht das tatsächlich der Realität? Dieser Beitrag geht der Frage auf den Grund, wie es um Barças Innenverteidigung steht.

Die Lage wurde damals nicht ernst genug genommen!

Die Innenverteidigerprobleme der Katalanen strecken sich schon seit einigen Jahren. Man könnte eventuell die Saison 2009/10 als Anfangspunkt verwenden. Hatte man in den Vorjahren eine recht stabile Innenverteidigung, welche sich auch in der Breite nicht verstecken musste, so ergab sich ab der Saison 2009/10 nicht mehr die gleiche Ausgangslage. Mit Rafael Márquez, Carles Puyol und einem aufblühenden Gerard Piqué besaß Barça drei tolle Innenverteidiger. Dahinter sah es dann schwach aus: Gabriel Milito und Chygrynskiy standen zur Verfügung, ein talentierter Martin Cáceres verließ die Katalanen. Milito war nie ein Spieler, der zur absoluten Elite auf seiner Position gehörte und über Chygrynskiy muss man nicht viele Sätze verlieren. Na, vielleicht doch einen halben: Chygrynskiy zählt wohl zu den schlechtesten Blaugrana-Transfers des laufenden Jahrtausends.

Bildquelle: fcbarcelona

Ein Jahr später: Der ernüchternde Blick auf die Innenverteidigung. Zwar ist der Ukrainer weg, aber auch Rafael Márquez hat das Weite gesucht. Wer verblieb? Piqué und Puyol als Felsen in der Innenverteidigung waren ein Superduo. Wann immer die Katalanen gemeinsam auf dem Platz standen, spürte man eine Brise von Sicherheit durch die Abwehrreihe wehen. Carles Puyol verlieh Gerard Piqué das gewisse Etwas, das jener benötigte, um seine Leistungen konstant abzurufen. Nur konnten die beiden Akteure schlecht jede Partie bestreiten, also musste natürlich rotiert werden. Der einzige Innenverteidiger, den die Blaugrana im A-Kader noch hatte, war Gabriel Milito, der zwar nicht unbedingt schlecht war; aber Milito war auch auf keinen Fall der richtige Spieler, um mit einem Gerard Piqué in der Innenverteidigung für Angstzustände bei den gegnerischen Stürmern zu sorgen. Spätestens mit den Verletzungen von Milito und Puyol musste eine Änderung her.

In den folgenden Jahren verpflichteten die Katalanen keine Innenverteidiger mehr. Scheinbar hatte Chygrynskiy einen düsteren Schatten in den Köpfen hinterlassen. Es schien fast so, als würde man sich nicht mehr trauen, Leute für die Position zu verpflichten. In der Folge wurden Spieler wie Javier Mascherano, Éric Abidal, Yaya Touré und Alex Song auf der Innenverteidigerposition getestet. Alex Song, der zuvor bei Arsenal ein Schlüsselspieler war, versagte kläglich auf einer ihm nicht vertrauten Position. Auch Yaya Touré hatte nicht das gehalten, was man sich versprach. Éric Abidal war eine akzeptable Notlösung, mehr aber leider auch nicht. Einzig Javier Mascherano, der Kämpfer und Abräumer, konnte sich durchsetzen. Dem Argentinier kam der freie Posten wie gerufen, denn an Sergio Busquets gab es kein Vorbeikommen. Der argentinische Kampfzwerg bewies sich und wurde von Spiel zu Spiel besser, war aber leider kein geborener Innenverteidiger und das spürte man. Oft unterliefen ihm Fehler, die auf der Position des defensiven Mittelfeldspielers halb so schlimm waren. Als Innenverteidiger waren diese Malheurs allerdings kritisch.

Alex song

Bildquelle: fcbarcelona

Im Jahr 2012/13 wurde Marc Bartra in den A-Kader befördert. Heutzutage fragt man sich: Warum? Der junge Katalane steckte voller Potenzial, auch die Einstellung stimmte. Aber Tito Vilanova vertraute ihm nicht. Éric Abidal konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als fünf Spiele in der laufenden Spielzeit für die Katalanen auflaufen. Der Coach der Blaugrana war außerdem überzeugt davon, dass Alex Song in der Innenverteidigung nichts zu suchen hatte und ließ diesen auch nicht mehr dort spielen. So verblieben als einzige Alternativen Mascherano, Piqué und Puyol. Das Jahr darauf, 2013/14, war dann wohl von der Breite her der endgültige Tiefpunkt. Éric Abidal verließ den FC Barcelona, Carles Puyol verletzte sich und wer wurde gekauft? Niemand. Die Innenverteidigung bestand von nun an aus einem Marc Bartra, der einfach ins kalte Wasser geworfen wurde, einem Gerard Piqué mit Leistungsschwankungen und einem Javier Mascherano, der eigentlich gar kein Innenverteidiger war. Spätestens mit dem Abgang des Capitán war es wahrscheinlich auch dem Letzten klar: Es werden Innenverteidiger benötigt oder man fördert endlich Bartra und andere Jungspunde!

Wo liegt momentan das Problem?

Gerard Piqué – Die Hoffnung in der Innenverteidigung

Gerard Piqué ist seit Beginn dieser Krise der einzige Innenverteidiger im Kader, der durchgehend bei den Katalanen spielte. Gewiss ist eins, dies wird sich sicherlich unter Normalbedingungen auch in den nächsten fünf Jahren nicht ändern. Piqué ist Culé – durch und durch! Für die Zukunft hat man zumindest mit dem Katalanen gut ausgesorgt. Mit 2,0 – 2,2 abgefangenen gegnerischen Angriffen pro Spiel liegt der Katalane in den letzten 4 Jahren über seinem Schnitt von 1,7. Auch ansonsten scheint man das Gefühl zu haben, dass Gerard Piqué sich gefangen hat. Spielte der Katalane damals nur unter Regie von Carles Puyol konstant auf hohem Niveau, so scheint spätestens seit der letzten Saison klar zu sein, dass Piqué es auch alleine schaffen kann. Der Katalane hatte in der Saison 13/14 trotz guter Zahlen noch eine eher ernüchternde Spielzeit und versprach den Culés, wieder zu den Topverteidigern des Fußballs aufzusteigen. Und er hat sein Wort gehalten.

pique celebration

Bildquelle: fcbarcelona

Ein Argentinier, ein Belgier und ein Franzose – Bald weg?

Blicken wir nochmal zurück: Der FC Barcelona hatte nach Chygrynskiy für mehr als fünf (!) Jahre keinen einzigen Innenverteidiger gekauft. Plötzlich verpflichtete man nach ewigem Hin und Her gleich zwei Spieler auf einmal. Wie kam es dazu? Dem Vorstand und dem Coach scheinen zwei Faktoren bewusst geworden zu sein: Jérémy Mathieu gehört schon zum älteren Eisen und Thomas Vermaelen ist scheinbar dauerverletzt. Beide Innenverteidiger waren nicht das, was man sich anfangs erhoffte. Vor diesem Hintergrund liebäugelten die Katalanen (laut Medien) zunächst mit gefühlt jedem Innenverteidiger, der auch nur in irgendeiner europäischen Topliga spielte. Man erhielt Absagen en masse: David Luiz lockte es nicht nach Barcelona, Thiago Silva konnte das Angebot unmöglich annehmen, da er nach eigenen Aussagen zusehen müsse, wie er seine Familie ernähre, und Marquinhos, Benatia und wie sie alle hießen kamen bei anderen Clubs unter. Also agierte Barça frei nach dem Motto: Wenn ich keinen Wunschkandidaten bekomme, dann nehme ich zwei der Risikokandidaten und reduziere damit das Risiko. Nur leider ist das in der Realität nicht so leicht umsetzbar und die Perspektive der Spieler überschaubar. Zwar bringen sowohl Mathieu als auch Vermaelen einige ihrer Stärken in die Mannschaft ein, aber wenn man sich das Alters und die Verletzungsanfälligkeit vergegenwärtigt, dann ist klar, dass die beiden dem FC Barcelona nicht lange erhalten bleiben werden. Auch Mascherano hat schon einmal verkündet, seine Karriere nicht bei der Blaugrana ausklingen zu lassen, sondern in die Heimat zurückzukehren. Für einen Ü-30er Spieler kann jede Saison die letzte sein, ehe er seine Karriere ausschweifen lassen möchte. Wir halten also fest: Die drei Innenverteidiger sind je 30, 31 und 32 Jahre alt und neigen sich wahrscheinlich dem Ende ihrer aktiven Karrieren. Auch wenn nicht sofort Handlungsbedarf besteht – lange Zeit verbleibt sicherlich nicht.

Vermi Bartra Mathieu

Bildquelle: fcbarcelona

Marc Bartra – Der ewige Rohdiamant

Die Situation um Marc Bartra beschreiben zu müssen, ist kein leichtes Unterfangen. Was da genau vor sich geht, ist wohl nur einem engen Kreis vorbehalten. Der Jungspund hatte und verfügt weiterhin über viel Potenzial, das man garantiert aus ihm herauskitzeln kann. Jedoch muss der Katalane dafür auch mal gesetzt sein. Marc Bartra muss Partien bestreiten, um sich beweisen zu können. Wann immer der Innenverteidiger auf dem Platz stand, versuchte er seine Chance zu nutzen. Dies gelang Bartra nicht immer, es gab Spiele, die nicht liefen, wie er es gewollt hatte. Aber dann gab es wiederum Partien, in denen er bewies, dass er es drauf hat, da zu sein, wenn er gebraucht wurde. Bartra wurde teilweise in den vergangenen Jahren einfach ins kalte Wasser geschmissen und machte dann doch eine bessere Figur, als man im Voraus geglaubt hatte. Mit zunehmenden Saisonverlauf verringerte sich die Aussicht auf Spielzeit bei dem Abwehrmann immer mehr. Bartras Spielzeit wurde immer weiter nach unten gefahren und der La-Masia-Spieler kam kaum noch zu Einsätzen – weder gegen große, noch gegen kleine Gegner. Wie Bartras Zukunft aussieht, ist ungewiss.

bartra traurig

Bildquelle: fcbarcelona

Fazit: Barça muss reagieren!

Bis hierhin war es eine ausführliche und detaillierte Beschreibung des Innenverteidgerproblems der letzten Jahre. Angesichts der vorherrschenden Situation möchte ich nun meine Meinung zu diesem Thema kundtun:

Wenn es nach mir ginge, hätte es nie zu diesem Engpass auf der Position der Innenverteidigung kommen dürfen, die sich von Jahr zu Jahr zugespitzt hatte. Als man im Jahr 2009 noch mit fünf Innenverteidigern bestückt war, hätte man eventuell schon Ordnung schaffen müssen. Statt Chygrinskiy und Milito zu holen, wäre die Vereinsführung gehalten gewesen, einen vernünftigen Innenverteidiger nach Barcelona zu lotsen. Piqué, Márquez und Puyol waren ein gutes Trio. Der vierte Akteur hätte ein Spieler sein müssen vom Kaliber eines Mathieu heute. Zum damaligen Zeitpunkt hätte dies vollkommen gereicht, schließlich hatte man zwei gestandene gute Innenverteidiger (Puyol und Márquez) und einen starkes Talent (Piqué) zur Verfügung. Leider lief es damals auf einen Milito (der ja noch akzeptabel war) und einen Chygrynskiy (den wahrscheinlich schlimmsten Transfer der jüngeren Vereinsgeschichte) hinaus. Ich sage nicht, dass Chygrynskiy selbst das Problem war. Vielmehr war es die durch ihn ausgelöste Phobie vor neuen Verpflichtungen in der Innenverteidigung. Der FC Barcelona hätte nie und nimmer so lange warten dürfen mit der Verpflichtung eines weiteren Innenverteidigers. Die Abwehr zählte ohnehin stets zu der am schwächsten besetzten Abteilung bei Barça.

Warum musste man dieses Phänomen also noch verschlimmern? Fünf ganze Jahre machte Barça sich zum Gespött auf dem Transfermarkt, wenn es darum ging, einen Innenverteidiger zu verpflichten. Man brachte sich selbst in diese Lage und sorgte dafür, dass andere Vereine inhumane Summen für Innenverteidiger verlangten oder die Wunschspieler den Katalanen sogar auf der Nase herumtanzten (siehe Thiago Silvas Aussage). Die Einkäufe von Mathieu und Vermaelen waren nicht schlecht, gut waren sie allerdings auch nicht. Erneut hat man nur eine Notlösung gefunden – immerhin waren es dieses Mal Innenverteidiger und dann sogar noch gleich zwei Stück. Besser als Alex Song für die Innenverteidigung zu holen, waren diese beiden Deals aber allemal. Aber das ändert nichts daran, dass ein Innenverteidiger auch genügt hätte (idealerweise Mathieu, da Vermaelen zu häufig verletzt ist). Man hätte dann nämlich die von mir zuvor gewünschte Situation gehabt: Zwei gestandene Innenverteidiger (Piqué und Mascherano) plus ein starkes Talent (Marc Bartra) zuzüglich einen passablen Back-Up-Verteidiger (Mathieu). Aber stattdessen verschmort Marc Bartra von Spieltag zu Spieltag auf der Reservebank und sieht kaum das Grün im Stadion aus der Nähe, sofern er denn überhaupt in die verschiedenen Stadien mitreisen darf. Aus Marc Bartra hätte soviel beim FC Barcelona werden können – hätte!

Meine Befürchtung: Bartra verlässt in der nächsten Saison die Blaugrana, um zu Manchester City zu fliegen und unter Pep Guardiola aufzublühen. Vielleicht kauft Barça ihn dann in drei Jahren für die zehnfache Summe zurück. Es gilt nun zu handeln. Entweder beginnt Luis Enrique damit, auf Bartra zu setzen und baut den Spieler auf, oder aber man kauft einen anständigen Innenverteidiger, der im Falle eines Abgangs von Mascherano dessen Posten einnehmen kann. Wichtig sollte hier nur sein, dass es sich um einen jungen Spieler handelen sollte, der allerdings bereits die nötige Erfahrung mitbringt, was selbstredend seinen Preis hat. Ansonsten könnte die Vereinsführung auch Mathieu oder Vermaelen behalten und damit in die Innenverteidigerkrise von neuem aufblühen lassen. Vielleicht haben wir ja auch Glück und ein La-Masia-Spieler schafft den Sprung in den A-Kader, vielleicht wird die nächste Innenverteidigerverstärkung aber auch erst Milan Piqué sein.

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