Kommentar: Wenn der Vorstand bestimmte Werte zertritt

StartKommentareKommentar: Wenn der Vorstand bestimmte Werte zertritt
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Dass Sandro Rosell und sein ganzes Gefolge bestimmte Veränderungen im Klub vollzogen haben, ist unübersehbar. Auch klar ist, dass viele dieser Änderungen nicht mit dem Motto ‘Més que un club’ konform gehen. Am traurigsten ist wohl die Tatsache, dass nun schon die eigenen Spieler die Vorstandmitglieder des FC Barcelona als ahnungslos bezeichnen. Vor allem dann, wenn es einer ihrer Führungsspieler ist. Es ist kein Geheimnis, dass der Klub den ökonomischen Erfolg dem sportlichen vorzieht und deshalb bestimmte Werte, die den Klub und vor allem das Klubmotto so sehr ausgezeichnet haben, zertritt. Und das ist etwas, was den Culés so gar nicht gefallen dürfte.

Die Jugend interessiert keine Sau!

Fangen wir doch mal bei den Kleinen an. Die Jugend. Die Zukunft. Zukunft? Da wäre ich mir bald nicht mehr so sicher. Der FC Barcelona ist für seine einzigartige Jugendabteilung bekannt. Die ‘La Masia’ bringt regelmäßig hochtalentierte Spieler hervor. Sie sind meist technisch äußerst stark, schnell und wendig, verfügen ferner über eine herausragende Passtechnik, die es auf der Welt sonst nur bei wenigen Spielern gibt. Es hat sich bereits herumgesprochen, dass der FC Barcelona konstant vielversprechende Talente in den eigenen Reihen hat, die es in dieser Masse bei keinem anderen Verein auf der Welt gibt. Lionel Messi, Andrés Iniesta, Xavi, Sergio Busquets und Co. gehören zu den besten Spielern, die es je gegeben hat. Alleine Lionel Messi und Sergio Busquets konnten als ehemalige Jugendspieler des FC Barcelona das Spiel revolutionieren. Kaum ein Spieler kommt an deren Spielverständnis ran, und auch heute gibt es einige vielversprechende Talente in der Jugend des FC Barcelona.

Jetzt fragen sich viele, warum werden die ganzen Talente nicht gefördert? Ich nehme mal an, die Jugend geht dem Vorstand praktisch am Allerwertesten vorbei. Eine gewagte Aussage? Nein, das denke ich nicht. Ich glaube, dass diese Aussage vollkommen angebracht ist. Wenn der Direktor der Abteilung ‘Jugendfußball’ beim FC Barcelona, Jordi Mestre i Masdeu, sagt, dass es egal ist, ob die Barça B in die dritte Liga absteigt, dann läuft da etwas falsch. Denn solche Aussagen motivieren keinesfalls die Spieler der zweiten Mannschaft. Dementsprechend spielt sie auch. Geht es so weiter, werden die Akteure bei der Barça B noch schlechtere Chancen haben, sich für die erste Mannschaft zu empfehlen. So fördert man also die eigene Jugend? Ein Trainer, der keine Konstanz in die Mannschaft bringt, wird gehalten. Die Mannschaft bringt über mehrere Spiele hinweg schwache Leistungen und die Ergebnisse sehen auch dementsprechend aus. Die Talente stellen schon hohe Forderungen, weil sie sich nicht sicher sind, ob es sich noch wirklich lohnt, beim FC Barcelona zu spielen. Das beste Beispiel ist der hochtalentierte Stürmer und erst 17-jährige Sanabria, der seit dieser Saison bei der Barça B spielt und seit 2009 die Jugendabteilungen beim katalanischen Spitzenverein durchlaufen hat. Er wird voraussichtlich bald wechseln, da ihm ein Platz in der ersten Mannschaft nicht versichert werden kann. Auf den ersten Blick denkt man sich natürlich, dass er total abgehoben und gierig ist. Auch ich war dieser Meinung. Doch nach ernsthafter Überlegung muss ich mir die Frage stellen: Was steckt wirklich dahinter? Wieso stellt er jetzt schon solch eine hohe Forderung? Das muss doch alles einen Grund haben, oder etwa nicht? Dass sich viele (Weltklasse-) Mannschaften seine Dienste sichern möchten, ist allseits bekannt. Der FC Arsenal London, Manchester City und der AS Rom sind nur einige der vielen namhaften Teams, die die Situation um Antonio Sanabria analysieren.

Es wird der Generationswechsel verpasst

Vielleicht hat Sanabria erkannt, dass der Klub aller Voraussicht nach den Generationswechsel verpassen wird. Wenn weiterhin auf ältere Spieler wie z.B. Xavi gesetzt wird und junge Spieler kaum an die erste Mannschaft herangeführt werden, obwohl seine Spielweise gegen physisch starke und schnellspielende Mannschaften meistens kein Land mehr sieht, fährt der Zug bald ab. Es drängt sich geradezu auf, dass Xavi ein langsamer Spieler ist, der defensiv kaum  für Entlastung sorgen kann. Gegen Ajax Amsterdam konnte man dies wohl am besten sehen. Xavi und sein Pendant Iniesta standen meist mehrere Meter von ihren Gegenspielern entfernt. Aus diesem Grund war es für Ajax Amsterdam ein Leichtes, das Mittelfeld ohne Probleme zu überbrücken. Dabei hatte man einen Spieler in den Reihen, der den ‘Totaalvoetbal’ in Perfektion spielenden Gegner hätte in Schach halten können – Sergi Roberto. Trotz seines jungen Alters wusste er bisher in jeder Partie, in der er gespielt hat, zu überzeugen – trotz vieler Kurzeinsätze. Es fehlt im Spiel der Katalanen in dieser Saison schlichtweg an Dynamik. Tata Martino will das Team stärken, was das Pressing, Gegenpressing, die Defensivarbeit und das schnelle Umschalt- und Konterspiel anbetrifft. Doch muss man jetzt ganz klar sagen, dass Xavi nicht (mehr) der Spielertyp ist, um diese Ideen zu realisieren. Natürlich darf man hier nicht nur Xavi nennen. Auch Andrés Iniesta zeigt sich seit dieser Saison nicht von seiner besten Seite, vor allem was die Offensivarbeit angeht. Er gilt eigentlich als ‘Lückenreißer’. Doch sieht man davon seit dieser Saison kaum etwas. Zudem steht auch er meist weit von seinem Gegenspieler entfernt und verliert Bälle in gefährlichen Regionen. Weiterhin weist er läuferische Defizite auf.
Anstatt diese Probleme anzusprechen, werden sie quasi unterdrückt. Dabei hat Barça mit Sergi Roberto einen Spieler, der das gesamte Offensiv- als auch das Defensivspiel ankurbeln kann. Er ist läuferisch extrem stark, kann das Mittelfeld in wenigen Sekunden überbrücken und seine vertikalen Laufwege reißen Lücken im Defensivverbund der Gegner. Außerdem hat er eine durchaus starke Übersicht und sein Passspiel ist auch überzeugend, auch wenn hier und da mal ein unnötiger Fehlpass passiert. Die derzeitige Situation betrifft nicht nur die jungen Spieler. Auch Cesc Fàbregas, der in der laufenden Saison wohl unser stärkster Mittelfeldspieler ist, muss auf eine suboptimale Position rücken (Falsche Neun), weil die Mittelfeldspieler Xavi oder Iniesta trotz nicht hinreichender Leistungen ein hohes Standing haben und unantastbar sind. Dabei kann man doch klar und deutlich sehen, dass das Potenzial von Cesc auf dieser Position verschenkt wird. Man gewinnt nicht an Qualität, es geht sogar Qualität verloren! Der FC Barcelona hat großes Potenzial, doch wird dieses unverständlicherweise nicht ausgenutzt. Der Fußball entwickelt sich weiter, und dementsprechend muss sich auch der FC Barcelona weiterentwickeln.

Außerdem ist es schon fast traurig, dass sich Marc Bartra erst nach einer Verletzung von Mascherano empfehlen konnte. Seitdem ist er der wohl formstärkste Verteidiger beim FC Barcelona. Aber muss immer erst auf Verletzungen gewartet werden? Soll Barça wieder das gleiche Unglück wie in der letzten Saison widerfahren, als Bartra und Co. mit nur wenig Spielpraxis große Spiele absolvieren und anschließend viel Kritik hinnehmen mussten? Die Einsätze waren nämlich auch damals erst durch die Verletzungen verschiedener Spieler begünstigt worden. Die Mannschaft scheiterte kläglich. Dabei waren die jungen Spieler nicht einmal die schwächsten Akteure auf dem Platz.

Weiterhin muss genannt werden, dass sich verletzte junge Spieler bei Barça quasi einen neuen Verein suchen können. Sie haben anschließend kaum mehr eine Chance auf Einsatzzeiten – traurig, aber wahr. Vor allem dann, wenn dies auf einen Klub zutrifft, der für seine ausgezeichnete Jugendarbeit bekannt ist. Man stelle sich vor, ein Messi wäre derzeit ein 17-jähriges Talent beim FC Barcelona und vom Verletzungspech verfolgt. Es würde ihm wesentlich schwieriger fallen, sich zurückzukämpfen. Wo wir gerade beim Thema Verletzungspech und Jugendarbeit sind: Messi und Iniesta waren vor einigen Jahren relativ verletzungsanfällig. Doch hatten beide Spieler noch Möglichkeiten, sich zurückzukommen – der Verein hat sie nicht direkt verliehen. Es ist ein Fakt, dass es die Talente heute wesentlich schwieriger haben. Dabei ist die aktuelle Mannschaft nicht stärker als die Barça-Teams von vor zwei, drei oder vier Jahren.

Verkauft doch gleich den FC Barcelona

Wie oft hat Sandro Rosell versucht, seine Entscheidungen durch den Verweis darauf zu rechtfertigen, dass man “mehr als ein Klub sei”. Ganz gelingt ihm das nicht. Das Trikot und die Heimstätte werden mit Sponsoren und Werbungen gut gefüllt. Etwas, was ich vor seiner Amtszeit beim FC Barcelona in dieser Masse nicht für möglich gehalten hätte. Das ‘Unicef’-Logo zog auf die Rückseite des Trikots um. Dafür stand zunächst ‘Qatar-Foundation’ auf der Vorderseite. “Ok”, hätte man sich denken können. Die ‘Qatar-Foundation’ ist immerhin auch eine Organisation, die Bildungs- und Wissenschaftsprojekte fördert. Außerdem würde man innerhalb von fünf Jahren 170 Millionen € bekommen. Doch dann kam der Hammer: Der FC Barcelona schließt einen Vertrag mit der Fluggesellschaft ‘Qatar Airways’. Nun bekommt der Verein 100 Mio. €. Zugegeben: diese Maßnahmen helfen beim Schuldenabbau, doch zu welchem Preis? Jetzt wird auch noch über einen Stadion-Neubau debattiert. Sandro Rosell hat sich natürlich für einen Neubau ausgesprochen. Man wolle moderner werden und anderen Teams nicht hinterher hinken. Eine Renovierung würde es aber auch tun! Vor allem deswegen, weil diese um einiges kostengünstiger ist. Wie soll denn das neue Stadion heißen, Herr Rosell? ‘Camp Qatar’? ‘Nou Qatar’? Oder ‘Rosell will sich unsterblich machen-Nou’? Der Verein will Schulden abbauen, indem er teure Projekte finanziert. Das ist wohl das Moderne, das Rosell anspricht. Denn die anderen Vereine haben auch hohe Schulden, die immer höher werden. Wenn andere Vereine mehr Schulden machen, muss man natürlich gleichziehen. Sandro Rosell ist aber dafür bekannt, dass er einige Kontakte zu umstrittenen Personen hat und ein Fuchs in solchen Angelegenheiten ist. Keiner kann besser falsche Zahlen an die Öffentlichkeit bringen (Stichwort: Neymar). Am Januar wird abgestimmt, ob ein Neubau stattfinden soll oder nicht. Eine Renovierung käme auch in Frage. Die Klubmitglieder sind bei dieser Abstimmung glücklicherweise vertreten. Immerhin etwas.

Keine Ahnung von Fußball?

Lionel Messi griff vor kurzem den Vize-Präsidenten für Finanzen, Javier Faus, an. Demnach habe dieser keine Ahnung von Fußball. Einen weiteren Seitenhieb in Richtung Chefetage konnte er sich auch nicht verkneifen. Seiner Meinung nach verdiene es einer der größten Klubs auf der Welt, nur von den besten Funktionären repräsentiert zu werden. Autsch, das wird Sandro und Co. wohl gar nicht gefallen. Diese Aussage war zwar sehr gewagt, aber es hat nun endlich jemand aus dem Verein ausgesprochen, was wohl viele denken. Die Chefetage hat keine Ahnung von Fußball! Natürlich war nicht nur Javier Faus gemeint, sondern auch Sandro Rosell und der ganze Rest da oben. Jordi Mestre i Masdeu sowieso.

Es ist lächerlich, wie man so viele Legenden dazu bringen kann, den Klub zu verlassen oder schlecht über ihn zu sprechen. Pep Guardiola attackierte Rosell scharf. Johan Cruyff und Laporta sowieso. Seydou Keita machte trotz seines hohen Ansehens in der Mannschaft die Fliege, Valdés will seinen Vertrag nicht verlängern und Puyol will angeblich den Klub verlassen oder seine Karriere beenden. Dazu kommt noch, dass sich Iniestas Vertragsverlängerung ziemlich kompliziert gestaltete. Irgendetwas gefiel ihm wohl nicht. Er schien nicht zu 100% sicher zu sein, ob er wirklich verlängern will. In der Öffentlichkeit äußerte er sich zwar anders, dies wahrscheinlich nur deshalb, um interne Sachen nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Éric Abidal, eine wahre Legende und ein echter Kämpfer, wird nicht gehalten, obwohl er unbedingt seinen Vertrag verlängern wollte. Dabei versprach man ihm sogar einen neuen Vertrag.

Ist sich der Vorstand uneins und wo ist der Schutz für die Spieler?

Diese Fragen stelle ich mir, weil vor kurzem Javier Faus sowie Bartomeu und Sandro Rosell ziemlich widersprüchliche Äußerungen von sich gegeben haben. Zum einen äußerte sich Javier Faus gegen eine Aufstockung von Messis Gehalt, Bartomeu und Rosell waren komischerweise dafür. Diese Äußerungen zeugen von fehlender Harmonie. Eigenartig ist auch, dass Javier Faus Messi in der Öffentlichkeit bloßgestellt hat. Er sprach Messi nämlich direkt an und meinte gleichzeitig, dass eine Gehaltsaufstockung nicht möglich sei. Messi reagierte gar nicht erfreut darüber, denn er habe gar keine Gehaltserhöhung verlangt und griff Javier Faus in der Folge scharf an. Das Thema ist jetzt noch nicht vom Tisch, ganz im Gegenteil. Die Klubführung hat mit ihren Aussagen den Medien noch mehr Kanonenfutter für ihre ohnehin schon lächerliche Hetzkampagne gegeben. Jetzt wird Messi Geldgeilheit unterstellt und das Thema ist in aller Munde – nur weil ein Mitglied der Klubführung seine vorlaute Klappe nicht halten konnte und damit eine Debatte eröffnete, die nicht mehr als Unruhe in die Barça-Welt bringt. Äußerst professionell.

Wen wundert es? Ist die derzeitige Klubführung überhaupt dafür bekannt, die Spieler in Schutz zu nehmen? Hier muss ich wieder das Beispiel Messi nennen. In diesem Jahr wird eine enorme Hetzkampagne seitens der Medien in Richtung ‘La Pulga’ durchgezogen. Photoshop-Bilder, die ihn mit einer anderen Frau zeigen, sein Vater soll Gelder für die Drogenmafia gewaschen haben (wurde von der Polizei dementiert!) und selbst bei der Sache mit der Steueraffäre war nichts von dem Barça-Vorstand zu lesen. Stattdessen beschäftigt man sich damit, neue Videos von dem neuen Shooting-Star Neymar schnell und konsequent auf die klubeigene Internetseite hochzuladen, Bravo! Unterstützung für einen in den Dreck gezogenen Spieler? Fehlanzeige!

Für mich ist jedenfalls klar, dass Sandro und Co. den finanziellen Erfolg dem sportlichen klar vorziehen. Natürlich sind die Finanzen auch von großer Bedeutung. Doch zu welchem Preis? Muss man dafür bestimmte Werte, die den Klub so ausgezeichnet haben, zertreten?

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