Frischer Wind im El Clásico: Das neue Barça kennen die Gäste aus Madrid noch nicht

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Knapp ein halbes Jahr ist seit dem letzten El Clásico der zwei Dinos der Primera División vergangen. Damals setzte sich Real Madrid gegen den FC Barcelona verdientermaßen mit 3:1 durch und verbannte die Blaugrana einen Spieltag später von der Tabellenführung. Heute grüßt die Mannschaft von Luis Enrique wieder von ganz oben, El Clásico steht unmittelbar bevor und Real Madrid lauert in Schlagdistanz. Die Vorzeichen scheinen gleich, und doch ist alles anders: Barça demonstriert Zusammenhalt, Leidenschaft und spielerischen Glanz.

Für den FC Barcelona läuft das Jahr 2015 aus sportlicher Sicht prächtig. Die Mannschaft liegt in allen Wettbewerben voll auf Kurs und scheint die Lethargie der Vergangenheit in jeder Hinsicht abgelegt zu haben. Schlagzeilen werden wieder vornehmlich durch Leistungen auf dem Platz dominiert, die häufig nur wenige Wünsche offen und mit Blick auf die heiße Phase der Saison unter den Anhängern Zuversicht aufkeimen lassen. Das Momentum liegt zweifellos bei der Blaugrana, rückblickend betrachtet ein kleines Wunder: Im Clásico und den nachfolgenden Begegnungen der Rückrunde deutete nur wenig auf den Leistungssprung hin, der sich nach einer weiteren Niederlage im Anoeta gegen Real Sociedad ohne Ankündigung einstellte und brillante Vorstellungen gegen Atlético Madrid ermöglichte; gegen jene Mannschaft also, die Real Madrid in der Liga zuletzt übel zugerichtet hat und Barça damit mittelbar den Weg zurück an die Tabellenspitze ebnete.

Diesmal trifft Real Madrid auf eine geschlossene Einheit

Das Unterfangen in der Liga wird für Real Madrid nicht einfacher. Heute um 21:00 Uhr kommt die Stunde der Wahrheit, wenn Schiedsrichter Mateu Lahoz den 262. El Clásico freigibt und sich die Hauptstädter den gleichen Spielern gegenübersehen, die sie vor knapp einem halben Jahr im Santiago Bernabéu mit einer 3:1-Schlappe und null Punkten im Gepäck heim geschickt haben. Mit Ausnahme von Sergio Busquets, der bedingt durch seine verletzungsbedingte Auszeit die Partie wohl zunächst von der Bank anschauen wird, dem Aufgebot von Jordi Alba auf der linken Außenbahn, im Hinspiel von Mathieu aus der Startelf verdrängt, und der Teilnahme von Rakitić anstatt Xavi, dürfte sich an dem personellen Grundtenor von Luis Enrique im El Clásico nur wenig ändern. Alles beim Alten also? Es wäre zu wünschen, dass die Madrilenen mit dieser trügerischen Gewissheit ins Clásico gehen. Die Auferstehung des FC Barcelona und die sie fördernden spielerischen Elemente dürften sich aber bis in die Hauptstadt herumgesprochen haben. Ihnen wird nicht entgangen sein, dass hier eine Mannschaft zusammengewachsen und die große Schwäche des Hinspiels damit passé ist.

Damals hatte Luis Enrique zu Recht die mangelnde Solidarisierung seiner Spieler und eine nur rudimentär vorhandene Kontraktion der Mannschaftsteile als Hauptgrund für Niederlage ausfindig gemacht. Es gab nur wenige unterstützende Bewegungen zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen, die sich damit gegenseitig isolierten und sowohl defensiv als auch offensiv unter ihren Möglichkeiten blieben. Die große Schwäche von damals ist heute aber eine große Stärke der Mannschaft. Seit der Niederlage gegen Real Sociedad ziehen alle Spieler an einem Strang und gehen vor allem große Spiele als geschlossene Einheit an. Unterstützende Bewegungen sind nunmehr die Regel, offensive wie defensive Überladungen – vorher kaum vorhanden – kommen in einem Spiel häufig vor. Das ist mit Sicherheit die größte Errungenschaft der letzten Wochen und Monate, keinesfalls aber die einzige Änderung, die sich seither eingestellt hat und das Spiel heute charakterisiert.

Der neue, alte Messi: Madrid wird sich wundern

Die Madrilenen müssen sich darüber hinaus auf einen neuen, alten Lionel Messi einstellen. Messi, die lauernde Falsche Neun, von sämtlicher defensiver Verantwortung freigestellt, und auch nicht gewillt, in diese Richtung einen Finger krumm zu machen – das war einmal. Wir erleben den Argentinier im Jahr 2015 in einem ungewohnten spielerischen Gewand. Insbesondere in großen Spielen nimmt Leo defensive Verantwortung auf sich und beeinflusst damit das gesamte taktische Gefüge des FC Barcelona in erheblichem Maße. Das erlaubt Rakitić eine zentralere Rolle auf dem Spielfeld, sodass man ihn – wie zuletzt im Spiel gegen Manchester City – durchaus auch mal auf der falschen Seite sieht, wie er zusammen mit Mascherano und Iniesta die Räume eng macht und numerisch überlädt; noch dazu seine unbestrittene Zweikampfstärke in wichtigen Zonen fruchtbar macht. Daneben bringt der Barça-Star und vierfache Weltfußballer seine Qualität dank tieferer Positionierung auch bei hohem gegnerischen Pressing ein und gewährleistet damit den sicheren Spielaufbau oder schnelles Umschalten auch unter hohem Druck.
Das ist eine neue Seite von Leo Messi, mit der sich die Spieler von Carlo Ancelotti auseinandersetzen werden müssen. Mit seinen Dribbling-Künsten haben die meisten hingegen schon hinreichend Bekanntschaft gemacht und müssen sich wohl warm anziehen. Das Gefühl für den Raum, für die Bewegung der Gegner, das Timing, die Beherrschung des Balles – einfach Wahnsinn! Wir haben es nicht ‘nur’ mit einem neuen Messi zu tun. Parallel zu seiner neuen Rolle in der Mannschaft sind all diejenigen Facetten seines fußballerischen Wirkens zurückgekehrt, mithilfe derer er sich für den Titel “Bester Spieler aller Zeiten” verdient gemacht hat. Wer hieran nach den Vorstellungen zuletzt noch irgendwelche Zweifel hegt, sollte sich am besten bei den Spielern von Manchester City umhören, oder irgendeiner anderen Mannschaft, die vergeblich das ‘Problem Messi’ in den Griff zu bekommen suchte.

Integration neuer Spieler: Abgeschlossen

Wichtigen Anteil an der Leistungsexplosion des FC Barcelona hatte aber auch die erfolgreiche Integration neuer Spieler, namentlich Ivan Rakitić und Luis Suárez. Beim letzten Clásico vertraute Luis Enrique auf das magische Mittelfeld-Trio bestehend aus Busquets, Iniesta und Xavi, während der kroatische Neuzugang aus Sevilla zur Überraschung vieler zunächst nur auf der Bank Platz nehmen durfte und seine Vorzüge als Spieler, auch im Verhältnis zum magischen Trio, nicht zur Geltung kamen. Die Auftritte auf internationaler Bühne und die großen Spiele haben aber deutlich gemacht, dass dem Mittelfeld des FC Barcelona ein moderner, zweikampfstarker Arbeiter guttun würde. Luis Enrique brauchte eine Weile, um das einzusehen, und baut nun in großen Spielen sein Mittelfeld mit Iniesta, Busquets und Rakitić auf. Ein Platz in der Startelf im El Clásico scheint für Rakitić also genauso sicher wie mehr Gegenwehr für Kroos und Co. im Mittelfeld.
Fest gebucht hat seinen Platz in der Startformation außerdem Luis Suárez, der ausgerechnet im letzten Clásico sein Debüt im Trikot der Blaugrana feierte. Sein Einstand war nicht schlecht, man merkte ihm aber deutlich die fehlende Spielpraxis an. Die letzten zehn Prozent fehlten, um auf diesem Niveau den Unterschied zu machen, nebenbei auch die Harmonie mit den Mitspielern im Sturm. Lange mussten sich die Fans aber nicht gedulden, bis aus Neymar, Messi und Suárez das berüchtigte ‘MSN’-Sturmtrio wurde, inspiriert von der Spielfreude, die die Stürmer miteinander versprühen. Suárez lediglich auf die Zusammenarbeit mit seinen Sturmpartnern zu reduzieren, wird seiner Leistung auf dem Platz aber nur in Teilen gerecht. Er ist permanent in Bewegung, sucht die Lücken, bearbeitet die Verteidiger und ist stets für ein Kombinationsspiel zu haben. Wenn nötig, dann rückt er anstelle von Messi auf die rechte Außenbahn, um diese Zone zu sichern, während der Argentinier ballorientiert verschiebt. Sein Verständnis für das Spiel des FC Barcelona hat seit dem letzten Clásico deutlich zugenommen, es wird ihm diesmal gewiss eine Freude sein, Reals Verteidiger im Camp Nou in Empfang zu nehmen.

Die alte Garde in Topform

Nicht nur die Entwicklung der neuen Spieler war in den letzten Monaten äußerst zufriedenstellend. Die alte Garde präsentierte sich zuletzt ebenfalls in blendender Verfassung und im Vergleich zum letzten Oktober deutlich verbessert. Piqué, Alves, Alba und Mascherano stehen nicht im Rampenlicht wie das Angriffstrio, zaubern auf ihre Weise aber ebenso eindrucksvolle Leistungen aufs Parkett. Von Javier Mascherano ist man messerscharfe Leistungen durchaus gewohnt, seit der Weltmeisterschaft in Brasilien scheinen die Reserven des kleinen Kraftprotzes keine Grenzen zu kennen. Doch auch Piqué hat den Schalter umgelegt und sich den Respekt vieler Fans auf dem Platz zurückerkämpft. Wann hat Barça eigentlich zuletzt ein Kopfballtor kassiert? Die gute Bilanz nach Eckbällen und Freistößen ist vor allem taktischer Natur – darauf werden wir auf Barçawelt noch gezielt eingehen -, Gerard Piqué verhält sich in Luftzweikämpfen aber desgleichen tadellos und geht fast immer als Sieger hervor.
Alves und Alba lassen auf ihren Seiten kaum etwas anbrennen und überzeugen in diesem Jahr mit hervorragenden Leistungen in den defensiven Zweikämpfen und taktischer Disziplin, was vor allem auf den Brasilianer zutrifft. Die wilden Jahre sind vorbei, Alves sichert invers einen größeren Feldbereich ab und verteidigt mannorientiert in Richtung rechte Außenbahn und Zentrum, was der Mannschaft aufgrund seiner wiedergewonnenen Zweikampfstärke sehr zugute kommt. Alba agiert naturgemäß etwas offensiver und stärker an der linken Außenbahn, hervorheben sollte man aber sein verbessertes Defensivverhalten, das in der Vergangenheit nicht immer sattelfest war.

Fazit

El Clásico kann kommen! Alles ist angerichtet für den großen Fußballkracher, die Mannschaft ist mehr als nur bereit. Seit Oktober letzten Jahres hat sich beim FC Barcelona in spielerischer Hinsicht viel getan, die Madrilenen bekommen es diesmal mit einer geschlossenen Einheit zu tun, in der jeder Spieler seine Stärken ausspielen kann. Eine Garantie auf den Sieg gibt es nicht, der Klassiker war und bleibt ein unberechenbares Biest. Und doch können die Anhänger des katalanischen Starensembles der Partie gelassen und mit Zuversicht entgegensehen.

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