Die Außenverteidiger von Barça im Check: Wie viel Qualität steckt in Dani Alves und Jordi Alba?

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Einst bezeichnete Pep Guardiola die Außenverteidiger als die größten offensiven Waffen im modernen Fußball. Nach seiner Vorstellung sollen offensiv fähige Außen die defensiven Flanken des Gegners durchbrechen und die Halbräume ins Visier nehmen. Hierfür zeichnen nicht nur die Flügelstürmer verantwortlich, im heutigen Fußball sind es insbesondere auch die Außenverteidiger, die am offensiven Spiel partizipieren und der eigenen Mannschaft zum Durchbruch verhelfen sollen. Es wäre aber nicht angemessen, die Leistungen eines Außenverteidigers im letzten Spielfelddrittel ganz abstrakt daran zu messen, wie offensiv er zu Werke geht und wie oft er sich ins Offensivspiel seiner Mannschaft einschaltet. Der offensive Beitrag muss stets in Relation zu den taktischen Aufgaben gesehen werden, die sich von Mannschaft zu Mannschaft und Spiel zu Spiel deutlich unterscheiden können. Diese Aussage beansprucht vor allem dann für sich Geltung, wenn das Team auf den Namen FC Barcelona hört.

Offensiv haben beide Verteidiger noch Luft nach oben

Taktische Vorgaben zwingen Jordi Alba und Dani Alves nur allzu häufig dazu, einem auftretenden offensiven Impuls zu widerstehen und ihm Einhalt zu gebieten. Auf links sichert der kleine Spanier die offensiven Bewegungen von Andrés Iniesta und insbesondere Neymar ab, wenn diese als Nadelspieler in Erscheinung treten oder zu einem komplexeren Zusammenspiel ansetzen; auf rechts ist es der 32-jährige Brasilianer, der sich zurücknimmt und als ‘Exit’-Option fungiert, wenn der Ball nach hinten gespielt werden muss. Die Positionierung der beiden Außenverteidiger in diesen Konstellationen ist dabei entscheidend: Sie soll die Voraussetzungen für ein starkes Gegenpressing und einen schnellen Zugriff auf den Gegner sicherstellen. Beim Gegenpressing kann vor allem Alves niemand etwas vormachen. Aus einer zentraleren Anordnung heraus beobachtet er das Geschehen und versucht, die nächste Spielsituation zu antizipieren. Der Druck wird schlagartig erhöht, sobald der Gegner am Ball ist, und im Einzelfall mag es vorkommen, dass das Gegenpressing von Alves erst auf der gegenüberliegenden Spielfeldseite ein Ende findet. Dort, wo Jordi Alba unermüdlich seine Außenbahn rauf und runter läuft. Auch er ist im Gegenpressing ein richtiger Brocken und aufgrund seiner körperlichen Eigenheiten schwer zu überwinden.

Das alles sind Aufgaben, die von den beiden Spielern im letzten Angriffsdrittel ebenfalls erledigt werden müssen und bei denen sie sich durchaus hervortun können. Doch nicht nur hier bekommen die Außenverteidiger Gelegenheit, Beweis über ihr Können darzulegen. Trotz aller taktisch geprägten Vorgaben gibt es selbstredend auch beim FC Barcelona Gegebenheiten, die ein offensives Vorgehen möglich machen, in einigen Situationen gar geboten erscheinen lassen. Offensiv zu agieren bedeutet, die Initiative zu ergreifen und mutig zu sein, selbstbewusst aufzutreten und im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten Wagnisse einzugehen. Trifft dies alles auf das offensive Wesen von Dani Alves zu? Nicht ganz. Früher, als der Brasilianer in Barcelona noch ein Frischling war und auch später unter der Leitung von Pep Guardiola gab es für ihn offensiv kaum ein Halten. „Viele geniale Momente von Lionel Messi haben mit Dani Alves zu tun”, war der allgemeine Tenor früher. Dani war der kongeniale Partner des mittlerweile fünffachen Weltfußballers und wie kompliziert Leo auf dem Feld auch dachte – der defensive Außen war stets geistig und auch fußballerisch auf der Höhe. 

Mit der Zeit löste sich die starke Bindung Messi-Alves jedoch immer mehr, der Argentinier nahm taktisch neue Aufgaben wahr und das hatte Einfluss auf Alves’ offensive Bemühungen. Schon damals war er nicht der Typ, der schnell mal über die Außenbahn mit einem Dribbling durchbricht und dabei ein oder zwei Spieler abschüttelt. Heute, nachdem der gewöhnliche Lauf der Zeit sowohl beim Antritt wie auch bei der Spritzigkeit seine Spuren hinterlassen hat, sieht man bei dem Spieler kaum noch Aktionen, bei denen er offensive Chancen ergreift; er meidet vielmehr das Risiko. Er agiert im Angriffsdrittel zwar weiterhin selbstbewusst, doch ist er sich zu gut seiner selbst bewusst, um so zu tun, als wäre durchbruchstark, auch wenn ihn ein Spieler wie Ivan Rakitić absichert. Stattdessen wählt er oft den sicheren Weg, hält den Ball hervorragend, schirmt ihn vor dem Gegner ab und leitet ihn sicher zum Mitspieler weiter. Was seine offensiven Akzente im Verbund anbelangt, so ist hierzu anzumerken, dass er auch in diesem Bereich eher Zurückhaltung walten lässt und sich vor allem durch ein gutes Positions- und Passspiel einzubringen versucht als durch die unbekümmerte und von Sturm und Drang zeugende Teilnahme. Dies war unter Umständen auch ein Motiv beim Transfer von Aleix Vidal, von dem man sich erhofft hat, er würde auf rechts für etwas mehr Dampf sorgen und dem Trainer neue Möglichkeiten eröffnen.

Bei Jordi Alba ergeben sich im Hinblick auf sein Verhalten im finalen Abschnitt des Spielfelds ganz andere Erwägungen, die sich ebenfalls nicht ganz in Guardiolas Ideal vom durchbruchstarken Außenverteidiger fügen. Im Vergleich zu Alves wirkt der Linksverteidiger zielstrebiger und hat ein anderes Verständnis von seiner Rolle im Angriffsdrittel. Seine körperlichen Vorzüge kostet er hier voll aus und ist mit vollem Eifer bei der Sache, sobald der Trainer ihn hierfür freie Bahn gibt. Alba macht es sichtlich Laune, seine Mitspieler mit Vollgas zu hinterlaufen und diese Dynamik bis zur Grundlinie aufrechtzuerhalten, von wo aus er den Ball in die Mitte schlägt. Das ist genau seine Welt, die aber eine Kehrseite hat: Dieses wiederkehrende Muster verbildlicht die Defizite in seinem Spiel; jene Eigenheiten, die bereits bei gegnerischem Druck vereinzelt zu Problemen führen können. Er beherrscht das Hinterlaufen und den Crosslauf wie kaum ein anderer, vermag aber fast nur diese Lösung ins Offensivspiel einzubringen.

Jordi ein Einfaltspinsel? Nein, so weit kann man gewiss nicht gehen – allerdings sind die Erwartungen an komplexere Spielzüge, die von ihm ausgehen, nicht sehr ausgeprägt. Wie Dani Alves besitzt auch der Spanier kaum Mittel, um sich – entsprechende taktische Sicherheiten vorausgesetzt – im Zweikampf durchzusetzen und durchzubrechen. Ursache hierfür ist einmal mehr seine Hüftsteife in Verbindung mit seinen technischen Möglichkeiten, die schnellere Richtungswechsel und sonstige überraschende Aktionen deutlich erschweren. Er besitzt eine gute Technik, die er eigenartigerweise nur für bestimmte Aktionen und Handlungen fruchtbar machen kann. Dies hat auch Auswirkungen auf das Spiel im Kollektiv, für Neymar und Iniesta gibt es häufig nur einen einzigen Weg, Alba ins Spiel einzubinden, da Stellungsspiel und die Laufwege sich stets gleichen. Das ist durchschaubar und führt dazu, dass bei erfahrenen Gegnern die offensiven Lasten auf einzelne Spieler verteilt werden. Zum Vergleich: In seiner stärksten Zeit beim FC Barcelona konnte Adriano in der Offensive ganz andere Akzente setzen, die Mannschaft profitierte von seinen vielfältigen Möglichkeiten, das Spiel im Angriffsdrittel zu bereichern. Er konnte die Linie entlang marschieren oder einen inversen Laufweg einschlagen und an Aktionen im Verbund teilhaben. Seine gute Schusstechnik und Torgefährlichkeit zwangen den Gegner zum frühen Aufbau eines Defensivpressings, was wiederum anderen Barça-Akteuren Raum verschaffte. Auch wenn Adriano schon lange nicht mehr an diese Leistungen anknüpfen kann, zeigte er in einer Phase, als der FC Barcelona überhaupt nicht stabil war, wie viel ein Außenverteidiger einem Team in der Offensive geben kann.

Der eine oder andere mag an dieser Stelle einwenden, dass Jordi Alba und Dani Alves auch unter Berücksichtigung der besagten Makel im Offensivspiel zur Crème de la Crème bei den Außenverteidigern gehören, auch offensiv. Dem soll auf keinen Fall widersprochen werden. Dennoch gibt es sie, die Außenverteidiger, die offensiv ein größeres Repertoire besitzen und der Mannschaft im Angriffsdrittel noch mehr Dinge erleichtern. Als Spieler des FC Barcelona müssen sich die beiden Außenverteidiger an der internationalen Spitzenklasse messen lassen. Mehr noch, sie müssen sich an einem Ideal messen lassen, das jederzeit angestrebt werden muss, um Barças Spitzenposition im internationalen Vergleich zu festigen. Ohne Frage würde es dem Ideal näher kommen, würde Barça neben ‘MSN’ oder zuweilen auch nur Messi und Neymar weitere Spieler in seinen Reihen besitzen, die im letzten Spielfelddrittel Staub aufwirbeln können. Im Spiel von Barça sind die Trennlinien zwischen Spielern, die das Spiel leiten, verwalten oder balancieren und solchen, die Zug zum Tor entwickeln und stürmen, zu scharf geworden.

Die nicht optimalen Anlagen dieser Spieler stellen aber kein Hinderungsgrund dar, diese Trennlinie aufzuweichen. Auch vor dem Hintergrund ihrer eingeschränkten offensiven Leistungsfähigkeit dürfte mehr möglich sein, als der Barça-Fan diese Saison zu sehen bekam. Der Trainer ist in der Pflicht, offensiv alles aus seinen Außenverteidigern herauszuholen. Alba müssen im Training auch andere Formen der Beteiligung in der Offensive vermittelt werden, während es bei Alves schon ausreichend sein dürfte, im Einzelfall mehr Zielstrebigkeit einzufordern, wenn es die Situation auf dem Spielfeld erlaubt.

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