Die Entwicklung des FC Barcelona zum Symbol Kataloniens

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Die Entwicklung zum Symbol Kataloniens

Seit der Gründung des FC Barcelona im Jahre 1899 war der Verein schon immer anders als der Rest der Fußballklubs in Katalonien. Als erster Verein in Katalonien nahm der FC Barcelona nicht nur Ausländer auf, sondern auch Anhänger einer anderen Religion als des Katholizismus.

Anstatt sich den Umständen anzupassen und einen für die damalige Verhältnisse gewöhnlichen Verein zu gründen, bei dem nur die Einheimischen oder Katholiken spielen konnten, gründete der protestantische Schweizer Hans Gamper einen pro-katalanischen Verein. Dieser Verein sollte von Beginn an für die Region Katalonien stehen. Verwunderlich dabei war, dass es ein Schweizer war, der den ersten „wirklich katalanischen“ Verein ins Leben rief. Gamper war von Anfang an von der Schönheit Barcelonas und Kataloniens angetan, was er auch durch seine Vereinspolitik erkennen ließ. Nachdem Gamper das erste Mal das Amt des Vereinspräsidenten übernahm, änderte er seinen Namen Hans in die katalanische Version „Joan“ um. Auch der Verein selbst erfuhr diese Art von Katalanisierung. Der Name des Vereins, Football Club Barcelona, wird in die katalanische Version Futbol Club Barcelona umgeändert und Katalanisch zur offiziellen Sprache des Vereins gewählt.

Gampers erste Amtszeit als Präsident des FC Barcelona begann am 2. Dezember 1908 und endete knapp ein Jahr später am 14. Oktober 1909. Es war die Zeit, als der Verein seine erste große Krise zu überwinden hatte und schon jahrelang keinen Titel gewinnen konnte. Niemand traute sich, sich dieser Herausforderung zu stellen. Gamper wollte seinen Verein aber nicht in den Abgrund schlittern sehen, weshalb er aus der Not heraus das Amt des Präsidenten übernahm. In der Phase der ersten existenzbedrohenden und sportlich sowie finanziellen Krise des FC Barcelona im Jahre 1908 übernahm Gamper die Führung des FC Barcelona und führte die Blau-Roten an die Spitze des spanischen Fußballs. Durch die vielen Titel, die der FC Barcelona unter Gamper erringen konnte, festigte sich auch die Position Gampers im Klub und versetzte ihn in eine sehr einflussreiche Rolle sowohl bei Barça als auch in Katalonien. Von Anfang war es Gampers Vorhaben, die Identität des Vereins und Kataloniens zu vereinen.

In den Jahren danach präsentierte sich Joan Gamper vermehrt als überzeugter katalanischer Nationalist und setzte alles daran, den FC Barcelona zum Sinnbild der Region Katalonien zu machen. Nach der endgültigen „Katalanisierung“ des Klubs war in den Medien nicht mehr vom spanischen, sondern vom katalanischen FC Barcelona die Rede. Der Verein beteiligte sich des Öfteren bei vielen Demonstrationen in Katalonien, die von Organisationen durchgeführt wurden, welche für die politische Autonomie der katalanischen Region kämpften. Zu seinen Lebzeiten konnte man den Vereinspräsidenten Joan Gamper an vorderster Front der Demonstrationen finden. Bezeichnend für die wichtige Stellung des FC Barcelona in Katalonien war auch die Wahl des neuen Vereinswappens im Jahr 1910. Nach einem vom Verein veranstalteten Wettbewerb, bei dem die Vereinsmitglieder ihre eigenen Vorschläge für das neue Wappen liefern konnten, entschied man sich für den Vorschlag des jungen Medizin-Studenten Carles Comamala. Das neue Wappen sollte die Verbundeheit des Vereins mit Katalonien noch deutlicher machen und vereinte mit dem Kreuz des Heiligen Georgs, des Schutzpatrons Kataloniens, der Senyera und den Farben des FC Barcelona die wichtigsten Symbole Kataloniens und des FC Barcelona. Besonders die Senyara charakterisierte die gemeinsame Identität von Barça und Katalonien.

In den darauf folgenden Jahren stellte der FC Barcelona in den Augen der katalanischen Autonomiebestrebungen einen inoffiziellen Leader dar. Dies bestätigte sich am 14. Juni 1925 bei einem Spiel zwischen dem FC Barcelona und einer englischen Auswahl. Beim Vorspielen der Hymne begleiteten die Zuschauer die spanische Hymne mit Pfiffen und die englische mit tobenden Applaus. Zur Strafe ließ die Regierung das Stadion des FC Barcelona sperren und zwang Joan Gamper sein Amt als Vereinspräsident aufzugeben. Dieses Ereignis ließ erkennen, welche Werte der FC Barcelona vertrat und immer mehr Katalanen konnten sich mit diesen Werten identifizieren.

Katalonien geteilt in zwei Lager

Als Gegenstück zum FC Barcelona entsteht Anfang des 20. Jahrhunderts der Verein Sociedad Española de Fútbol Barcelona, der von Studenten der Universität Barcelona gegründet wird. Präsident des Vereins, Ángel Rodríguez Ruiz, positionierte sich von Anfang an gegen den katalanischen Nationalismus und als der direkte Konkurrent des FC Barcelona. 1910 erhält der Verein den Namen Real Club Deportivo Español Barcelona, nachdem der spanische König Alfonso XIII. das Patronat von Español annimmt. Somit hatte der Verein die Ehre, die Bezeichnung „Königlich“ in seinem Namen zu tragen, was den Verein von Katalonien noch mehr distanzierte. Um bei vielen Katalanen nicht mehr so verhasst zu sein, änderte der Verein 84 Jahre später den Vereinsnamen in die katalanische Version Reial Club Deportiu Españyol. Obwohl Españyol Barcelona in den letzten Jahren sehr bemüht war, die Beliebtheit in Katalonien zu steigern, wird der Verein immer noch als Sinnbild für den spanischen Zentralstaat angesehen. Gleichzeitig ist das auch der Grund, weshalb das Derby zwischen den beiden größten Vereinen Kataloniens sowohl für die „Culés“ als auch die „Pericos“ eines der wichtigsten Spiele der Saison ist. Für die Fans von Españyol ist das Duell jedoch wesentlich bedeutender als für die Fans des FC Barcelona. Schon seit Beginn der Primera División im Jahre 1929 war der FC Barcelona immer erfolgreicher als Españyol, was auch zur Folge hatte, dass Barça mit der steigenden Zahl der Fans in Katalonien den Gedanken des Katalanismus stärkte. Espanyol verlor in Katalonien immer mehr an Bedeutung, während sich der FC Barcelona zu einem Massenklub in Katalonien entwickelte.

Barças und Kataloniens gemeinsame Leidenszeit seit dem Bürgerkrieg

Mit dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs schlitterte Barça in seine größte sportliche Krise seit 1908. Nach der Machtübernahme in Spanien durch General Francisco Franco im Jahr 1939 stand dem FC Barcelona eine schwere Zeit bevor. Am 16. Januar desselben Jahres marschierten Francos Truppen in Katalonien ein und mit der Übernahme der Region wurde jede kleinste positive Entwicklung in Richtung politischer Autonomie, die Katalonien in den letzten Jahrzehnten erlebte, zunichte gemacht. Katalonien sollte wieder „kastilisch“ werden! Die Region verlor die Autonomie und die katalanische Sprache erfuhr die bis dato größte Unterdrückung der Geschichte. Die Folgen dieser Unterdrückung durch das Franco-Regime zeigten sich auch an der Entwicklung der Mitgliederzahl des Vereins, die zu der Zeit bereits unter 4000 Mitgliedern lag. Um die fehlenden finanziellen Mittel aufbringen zu können, tourte der Verein durch Mexiko und die USA. Viele Spieler verließen den Verein auf der Reise und kamen nicht mehr nach Katalonien zurück und entschieden sich für das Leben im Exil. Denjenigen, die aus dem Exil zurückkehrten, wurde eine zweijährige Spielsperre auferlegt. 1944 entstand der erste Fanklub der Blaugrana, auch Penya genannt, der den Verein finanziell unterstützen sollte.

Auch wenn General Franco zu Beginn seiner Machteroberung in Spanien keine Gründe für die Verfolgung der Vereinsmitglieder sah, musste er seine Sichtweise in Bezug auf den FC Barcelona ändern, als er verstand, welche Bedeutung der Verein für die Katalanen hatte. Schon vor dem Einmarsch wurde der FC Barcelona als eine der Organisationen ausgewählt, denen eine permanente Verfolgung und Kontrolle bevorstand. Die Unterdrückung Kataloniens war gleichbedeutend mit der Unterdrückung des FC Barcelona. Nichtsdestotrotz entwickelte sich der FC Barcelona zum Symbol der nationalistischen Bewegung in Katalonien und zum Träger der katalanischen Identität in der Post-Bürgerkriegszeit. Dieser Umstand war für General Franco ein Dorn im Auge, weshalb er den Vereinsnamen ins kastilische „Club de Futbol Barcelona“ änderte und die Senyera aus dem Wappen verbannte. Stattdessen sollten jeweils zwei orange und gelbe Linien die Farben Spaniens repräsentieren.

Auf sportlicher Ebene war die Begegnung gegen Real Madrid im Rückspiel des spanischen Pokals 1943 eines der Spiele, das die Rivalität zwischen Kastilien und Katalonien auf dem Fußballfeld stark prägte. Nachdem Barça das Hinspiel mit 3-0 für sich entscheiden konnte, verlor man das Rückspiel in Madrid mit 11-1. Laut den damaligen Angaben der Barça-Spieler soll die Mannschaft in der Umkleidekabine von der Polizei eingeschüchtert worden sein, damit Real siegen und ins Finale einziehen konnte. Das Ergebnis des Spiels und die darauffolgende Aussagen der Barça-Spieler, die die Einschüchterungsversuche der Polizei bestätigten, lösten bei den Culés einen Hass gegen Real Madrid aus, der spätestens seit diesem Tag mit der faschistischen Regierung Francos personifiziert wurde; sie und Franco begannen ein gemeinsames Feindbild für die Culés und Katalanen darzustellen. Das Spiel wird heute noch von vielen als der Grundstein angesehen, wieso sich der katalanische Widerstand gegen das Regime in die Stadien der zwei größten spanischen Vereine verlagerte.

Barça – Die Stimme der Unabhängigkeit

Während des Spanischen Erbfolgekrieges von 1700 bis 1713 unterstütze Katalonien den Habsburger Thronprätendenten Ehrherzog Karl gegen den Bourbonen Felipe von Anjou. Nachdem Felipe V. als Sieger hervorging, marschierte er am 11. September 1714 mit 40.000 tausend Mann in Katalonien ein und degradierte Katalonien zu einer spanischen Provinz. Alle Institutionen Kataloniens wurden aufgelöst und die katalanische Sprache verboten – und somit endete die katalanische Selbstverwaltung. Katalonien wurde zu einem Teil Spaniens. Der 11. September 1714 ging in die katalanische Geschichte als der Tag der Kapitulation ein und gilt heute als der katalanische Nationalfeiertag. Dieses Ereignis sollte nicht nur die Region Katalonien noch bis heute prägen, sondern den FC Barcelona, der knapp 200 Jahre danach gegründet wurde. Nicht selten zeigte der FC Barcelona durch diverse Aktionen die starke Verflechtung mit Katalonien, oft auch mit gravierenden Folgen für den Verein oder die Fans selbst. Doch nach dem Ende der Diktatur muss kein Culé mehr Furcht in sich tragen, wenn er für die Farben Kataloniens oder des FC Barcelona einsteht. Ein Paradebeispiel dafür war der siebte Spieltag der Saison 2012/2013. Am geschichtsträchtigen 7. Oktober 2012 trafen wieder einmal die größten Rivalen Spaniens, der FC Barcelona und Real Madrid, aufeinander. Die Spieler beider Mannschaften betraten das Spielfeld, während die Culés die „Cant del Barça“ einstimmten. Diesmal werden die Mannschaften jedoch nicht mit einer gewöhnlichen blauroten Barça-Choreografie empfangen, nein, diesmal zierten das Camp Nou gänzlich die Farben Kataloniens. Dies hatte auch einen trächtigen Grund, den die Culés nur einige Minuten später der Welt offenbarten. Genau um 17:14 erhoben sich die knapp 100.000 Zuschauer, um mit gemeinsamer Stimme nach Unabhängigkeit zu rufen. „In-Inde-Independència“ ist aus dem Camp Nou zu hören, zum Erstaunen von Real Madrid-Präsidenten Florentino Perez und tausender Madridistas auf dem äußeren Rand der Tribüne. Zusätzlich wird das Spiel in mehr als 150 Ländern übertragen. Seit dem Tod des spanischen Diktator Francisco Franco im Jahre 1975 hat es im Camp Nou keinen solchen Ruf mehr gegeben. Der Ruf sollte an die Schlacht 1714 erinnern, als die Katalanen gegen Felipe V. ihre Unabhängigkeit verloren. Wieder einmal war es der FC Barcelona, mit dessen Hilfe Katalonien die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zog und den in letzter Zeit immer stärker werdenden Wunsch nach Unabhängigkeit nach außen kommunizierte.

Obwohl sich die Zeit nach der Franco-Diktatur gewandelt hat und die Menschen in aller Freiheit der Demokratie leben können, ist es nie gelungen, den Fußball und die Politik in Katalonien zu trennen. Für die meisten Katalanen wird der FC Barcelona immer mehr als nur ein Klub bleiben und eine wichtige Figur im Kampf um die Unabhängigkeit darstellen.

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