FC Barcelona – Real Madrid: Taktikrückblick

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Bildquelle: fcbarcelona.com

Mit lediglich einem Tor Differenz setzte sich der FC Barcelona gegen den ewigen Rivalen aus Madrid durch. Mit ein wenig mehr Glück hätten die beiden Mannschaften sogar drei Tore trennen können, so deutlich waren die Leistungsunterschiede an diesem Abend. Tito Vilanova hat Mittel und Wege gefunden, um mit Madrids Angriffspressing umzugehen und eine systematische Schwäche in ihrem Defensivverhalten erkannt. Konsequent wurden die Angriffe über die rechte Seite vorgetragen und die mangelnde Bereitwilligkeit zur Defensivarbeit von C. Ronaldo ausgenutzt. 

Nicht wenige haben angesichts der Erfahrungen der Vergangenheit ein enges Spiel prognostiziert, das den Katalanen viel abverlangen würde. Dass es schließlich anders kam, lag insbesondere an einer hohen taktischen Disziplin des FC Barcelona wie auch an dem Umstand, dass Real Madrid mit ihrer extrem ballorientierten Spielweise immer wieder an Grenzen stößt. Die Madrilenen nahmen das Spiel in einem 4-5-1-System in Angriff, in der Benzema die einzige echte Spitze markierte. Hinter Benzema agierte Özil im Zentrum als eine Art Spielmacher, der aber wie gewohnt auch immer auf Rechtsaußen auswich, um den Flügel zu überladen. Sami Khedira hielt seinem Landsmann den Rücken frei. Cristiano Ronaldo war wie immer im linken Mittelfeld anzutreffen. Seine Aufgabe bestand darin, die linke Außenbahn zu bearbeiten, sowohl defensiv als auch offensiv. Diesen Spagat schaffte der Portugiese aber nur bedingt, wie sich noch zeigen wird.

Real-Pressing greift nicht

Zu Beginn vermittelte die Spielweise der Königlichen dem Zuschauer den Eindruck, als würden sie in diesem Spiel wieder zu einem hohen Pressing ansetzen und versuchen, Ballgewinne im letzten Spielfelddrittel zu generieren. Zwei Mal versuchten die Spieler von José Mourinho auf diese Weise zum Erfolg zu kommen, wurden jedoch jeweils durch ein herausragendes Kombinationsspiel der Katalanen gekonnt umspielt. Dabei ging der FC Barcelona stets nach dem gleichen Schema vor: Valdés spielte einen hohen Ball auf die rechte Außenbahn auf Alves, der jederzeit in der Lage war, diesen hohen Ball technisch sauber zu verarbeiten. Entweder köpfte er den Ball sogleich weiter auf Alexis Sanchez oder aber er fand sogar genug Zeit für eine Ballannahme und ein Abspiel an den Mitspieler, der zentraler stand. Durch diese spielerische Befreiung aus dem Pressing wurde Real Madrid zurückgedrängt und so ihrer Stellung für ein Offensivpressing beraubt. 

Wenige Räume im Zentrum

Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass der Gegner sich von da an zurückgezogen hätte. Bereits auf der Höhe der Mittellinie erwarteten die Königlichen die Hausherren sehr eng gestaffelt und verschoben meisterlich in Richtung des ballführenden Spieler. Hinzu kommt, dass immer ein Spieler aus dem Verbund herausgerückt ist und den Ballführenden attackierte, damit diesem die Zeit und der Raum genommen wird für einen Pass zwischen die Abwehrreihe und den Mittelfeldverbund( eine Kette konnte man dies nicht nennen, da die Spieler ungleichmäßig angeordnet waren, um den Raum zu verdichten). Oft rückte Özil raus und bedrängte abwechselnd die Innenverteidiger oder Busquets, wohingegen Khedira immer darum bemüht war, Xavi an einer Abwägung der verfügbaren Handlungsoptionen zu hindern. Es fiel der Blaugrana darum zu Beginn sehr schwer, jene Spieler zu bedienen, die sich hinter diesem Mittelverbund befanden und auf ein Zuspiel warteten. Betroffen davon war vor allem Lionel Messi, der sich immer wieder zurückfallen ließ, um im Spielaufbau angesichts dieser Dichte im Mittelfeld weiter vorne anzusetzen. Meist wanderte der Ball jedoch wegen diesem starken ballorientierten Verschiebens auf die Außenbahnen, häufig auf Alves oder Sanchez. Es waren aber auch Situationen zu identifizieren, in denen die Innen- und Außenverteidiger, namentlich Mascherano und Adriano, am Spielaufbau mitwirkten und das Bestreben von Real Madrid, alle erdenklichen Passwege zuzustellen, für ein Vordringen weit jenseits der Mittellinie nutzten. Damit überraschten sie die Madrilenen einige Male und sorgten für relativ einfachen Raumgewinn. Lediglich das Umspielen des herausrückenden Madrilenen, meist Özil, stellte bei dieser Vorgehensweise ein Gefahrenpotenzial dar, das mit Antäuschungen aber gut in den Griff zu bekommen war.

C. Ronaldo gefangen zwischen Defensive und Offensive

Den Verteidigern des FC Barcelona kommt in den Spielen gegen Real Madrid naturgemäß eine größere Bedeutung zu, ohne ihre Initiative wäre ein Raumgewinn bei diesem Gegner häufig nicht möglich. Ihre Vorstöße bilden ein wichtiges Mosaik, um das gestrige Spiel zu verstehen und hatten erheblichen Einfluss auf den Spielverlauf. Nicht weniger bedeutsam am gestrigen Abend war auch die rechte Angriffsseite der Katalanen, auf der Alves und Sanchez immer wieder beachtliche Freiräume vorfanden. Als linker Mittelfeldspieler besaß C. Ronaldo die Aufgabe, sich immer wieder ins Angriffsspiel einzuschalten und über die linke Außenbahn für Druck zu sorgen. Er sollte aber gleichermaßen nach hinten arbeiten und gewährleisten, dass der madrilenische Außenverteidiger Coentrao sich nicht in einer Eins-gegen-eins-Situation mit Sanchez oder Alves wiederfindet. Dann nämlich sieht sich der Innenverteidiger Sergio Ramos gezwungen, herauszurücken und Coentrao zu unterstützen, was wiederum große Räume im Zentrum schafft. C. Ronaldo kam seinen Verbindlichkeiten in der Defensive am gestrigen Abend nicht immer nach. Das liegt natürlich einerseits an seinem Beitrag zur Offensive, der ein rechtzeitiges Zurückeilen erschwert. Aber auch sobald seine Mannschaft die Grundordnung wiedererlangt hat, zeigte C. Ronaldo nur sporadisch seine Bereitschaft, in der Defensive auszuhelfen. Somit hatten Alves und Sanchez relativ oft leichtes Spiel auf dem rechten Flügel. Wenn Alves aufrückte, begab sich Sanchez in das Sturmzentrum, um Sergio Ramos an sich zu binden und Alves nur Coentrao als Gegenspieler zurückzulassen. Manchmal gelang es Sanchez gar, sowohl die Aufmerksamkeit von Coentrao als auch die von Sergio Ramos zu erwecken mit der Folge, dass Alves einen sehr großen Raum vorfand. Man hätte sich gewünscht, dass Sanchez und Alves ihre Möglichkeiten auf dem Flügel noch konsequenter ausnutzen. Beide hätten noch mehr den Zweikampf suchen und zielgerichteter versuchen müssen, bis an die Grundlinie vorzudringen.

Mit Pressing und Gegenpressing vom Tor ferngehalten

Auch darüber hinaus wusste das Spiel des FC Barcelona durchaus zu gefallen. Die Schützlinge wussten, dass das Spiel von Real Madrid physisch sehr fordernd und es nur eine Frage der Zeit ist, bis ihre Kräfte schwinden und das ballorientierte Verschieben und das Arbeiten gegen den Ball schwächer werden. Und in der Tat ergaben sich im Spielverlauf für die Blaugrana zunehmend mehr Lücken, sodass es immer besser gelang, die vor der Abwehr agierenden Spieler in Szene zu setzen. Folgerichtig stieg mit zunehmender Spielzeit die Leistungskurve von Messi deutlich an. Auch Iniesta gelang es immer häufiger, in diesen Regionen angespielt zu werden. Begünstigt wurde diese Beobachtung in der zweiten Halbzeit durch ein offensiveres Auftreten der Madrilenen, die bei Ballbesitz verstärkt nach vorne ausrückten und bei Ballverlust nicht immer die Kraft fanden, ihre Grundordnung schnell wiederherzustellen. Damit lässt sich auch das dritte Tor von Xavi erklären, dessen Entstehungsgeschichte durch jene Charakteristika der madrilenischen Spielweise ermöglicht wurde, die soeben genannt wurden. Iniesta kam jenseits der Mittellinie an den Ball und trug ihn bis zum Strafraum, an dessen Grenze ihn (nur) die Verteidiger erwarteten. Der andere Teil der Geschichte wurde von Iniestas individueller Klasse geschrieben. Im ersten Durchgang hingegen fand Real Madrid kaum statt. Das Gegenpressing des FC Barcelona war phasenweise so stark, dass der Ball kaum die Mittellinie erreichte. Und wenn die Verteidiger von Real Madrid von Casillas angespielt wurden, sahen sie sich augenblicklich einem so starken Angriffspressing ausgesetzt, dass ihnen lediglich die Wahl zwischen dem sofortigen Ballverlust oder dem Ballverlust aufgrund unkontrolliertem Wegschlagens des Balles blieb. Es stimmte also vieles beim FC Barcelona, Gegenpressing und damit die Verteidigung der gegnerischen Angriffe, Angriffspressing und der Spielansatz allgemein. Auch wenn es den Madrilenen gelang, die Katalanen zu umspielen, so waren in der Abwehr immer stets drei Spieler vertreten. Alves’ Offensivdrang wurde meist durch eine systematisch tiefe Stellung von Adriano ausgeglichen, sodass für die Königlichen nie eine Überzahlsituation entstand. 

Interaktion zwischen Pedro und Mascherano

Abschließend sei noch auf die Entstehungsgeschichte zum Tor von Pedro einzugehen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass dieses Tor an Perfektion kaum zu überbieten ist. Das Timing des Abspiels von Mascherano und das Timing des Antritts von Pedro waren schlichtweg perfekt. Die Ballmitnahme von Letzterem verdient sich das Prädikat Weltklasse. Dieses wunderbare Tor war möglich, weil die Abwehr der Madrilenen sehr hoch positioniert war. Obwohl der Abstand zwischen Verteidigung und Mittelfeldverbund das ganze Spiel über ziemlich groß war, ist man bei Real Madrid in dieser Situation dazu übergegangen, diesen zu verringern. Ein kleinerer Abstand hat den Vorteil, dass die Verteidiger den Mittelfeldverbund besser unterstützen können, weil der Weg zum Gegenspieler dann relativ kurz wird. Der Nachteil aber liegt in der Gefahr von Pässen hinter die Abwehr, die bei nicht vorhandener Abseitsposition zu einer Eins-zu-eins-Situation mit dem Torwart führen. Mit dieser Maßnahme wollte Mourinho das Spiel seiner Mannschaft kompakter machen und die größer werdende Ermüdung seiner Spieler und die damit einhergehende Entstehung von Räumen für den Gegner kompensieren. Mascherano hat die Lage schnell erkannt und seine Qualitäten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zweifelsohne gehörte Mascherano zusammen mit Iniesta zu den Spielern des Spiels. Dem Rückspiel können die Katalanen aufgrund dieser tollen Vorstellung beruhigt entgegenblicken.

 

 

 

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