Aspektanalyse: Turan als ‘Achter’ und ‘falsche Neun’ bei Sieg über Tschechien

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Aufgrund der Spielersperre, die die FIFA dem FC Barcelona auferlegt hat, konnte Arda Turan im Dress des FC Barcelona noch nicht zum Einsatz kommen. Dieser Umstand hinderte Fatih Termin – seines Zeichens Teamchef der türkischen Fußballnationalmannschaft – nicht daran, seinen Schützling auch im gestrigen vorentscheidenden Gruppenspiel gegen Tschechien auf eine äußerst interessante Art und Weise einzusetzen. Für Barçawelt also die Gelegenheit, den heißblütigen Türken erneut im Rahmen einer Aspektanalyse unter die Lupe zu nehmen und die aktuelle Form Turans zu evaluieren.

Nachdem er schon im Spiel gegen die Niederlande eingesetzt worden war und eine makellose Vorstellung abgeliefert hatte, durfte der Barça-Akteur Arda Turan auch im wichtigen Spiel gegen die tschechische Fußballnationalmannschaft einige Spielminuten erhalten. Teamchef Fatih Terim musste dabei auf seinen Stoßstürmer Burak Yilmaz verzichten und entschloss sich insofern zu einer kleinen Systemänderung, die auch den türkischen Neuzugang des FC Barcelona betreffen sollte. Erneut wollen wir uns also auf drei Aspekte in Turans Spiel konzentrieren und etwas näher darauf eingehen.

Endlich: Turan als Achter im türkischen 4-4-2 mit Raute

Tatsächlich sollte Terim in diesem Spiel auf eine andere Formation, als noch in der Partie gegen die Niederlande setzten. Der 62-Jährige schickte seine Mannschaft in einem 4-4-2 mit Raute beziehungsweise einem 4-1-2-1-2 auf das Feld. Dabei belegten Calhanoglu sowie Cenk die vorderen Stürmerpositionen, während dahinter Özyakup die Zehnerposition einnahm. Turan besetzte damit tatsächlich zusammen mit Tufan die Halbpositionen beziehungsweise agierte als typischer Achter, während Inan die alleinige Sechserposition übernahm.

Doch als Achter konnte sich Turan in dieser Partie keineswegs entfalten. Dies hing nicht mit ihm selbst zusammen, sondern mit zwei grundsätzlichen Problematiken in der türkischen Spielausrichtung. Zum einen legte es die Türkei nicht darauf an, konstruktiv und strukturiert aufzubauen. Man positionierte sich mit der 4-1-2-1-2-Rautenformation und als kompakter Block im Mittelfeld. Die Systematik sah dann so aus, dass Torhüter Babacan den Ball weit abschlug. Dieser lange Ball sollte dann den ein wenig abkippenden Stoßstürmer Cenk finden, der durch eine Kopfballablage seine anderen Teamkollegen finden wollte. Da sich die Tschechen allerdings auch darauf verstanden, die eigene Formation kontrahieren zu lassen, um das Zentrum unter Kontrolle zu bringen, ging dieser Plan so gut wie nie auf. Turan kam deswegen in den Übergängen in die nächsten Drittel, geschweige denn im Spielaufbau, kaum zum Zug.

Zum anderen schien es auch, als ob Terim Turan in höhere Zonen, sprich vor die Viererkette Tschechiens, positionieren wollte. Dabei rückte Turan phasenweise auf seine typische linke Flügelstürmerposition beziehungsweise eine Reihe weiter nach vorne vor, während sein Platz entweder vom nach links abdriftenden Zehner Özyakup oder kurzzeitig vom abkippenden Cenk, der sich für Kopfballablagen zur Verfügung stellte und auf Turan und Co. weiterleiten wollte, besetzt wurde. Dadurch kam es immer wieder zu leichten Fokussierungen der linken Seite, die mit einem kombinativ und dribbelstarken Turan durchaus Potenzial gehabt hätte. Dennoch half auch diese Herangehensweise den Türken nicht, sich vor das Tor Tschechiens zu spielen.

Türkische Unkompaktheit lässt Turan leiden

Somit war es keineswegs eine gute Partie der Türkei im eigenen Ballbesitz. Und auch im eigenen Defensivverhalten sollte die ganze Sache nicht unbedingt besser aussehen. Erneut war die generelle Systematik Grund für das ineffektive PressTürkei Pressing Ardaingsystem. Die beiden Stürmer Calhanoglu sowie Cenk bildeten dabei auch im Pressing die Doppelspitze. Abwechselnd wurde dabei der ballführende Spieler auf der jeweiligen Seite angelaufen, während der Stürmer auf der anderen Seite etwas tiefer stand. Zehner Özyakup hielt sich dabei im Zehnerraum auf und rückte sogar einige Mal auf, um eine kurzzeitige Dreierkette zu erzeugen.

Doch das Problem dabei bestand, dass man in dieser Formation so gut wie gar keine Kompaktheit erzeugen konnte. Die horizontalen Abstände zwischen den vorderen drei Stürmern waren zwar gut, die vertikalen Abstände zum Mittelfeld und darauf folgend der Abwehr waren dagegen katastrophal. Dabei sollte man wissen, dass die Tschechen durch das seitliche Abkippen von Sechser Pavelka im Zentrum mit lediglich einem Spieler – dem zweiten Sechser Darida – präsenzlos waren und damit viele Spieler auf den Seiten hatte. Konnte Tschechien die erste türksiche Pressinglinie also umspielen, so hatten die beiden Achter Turan und Tufan riesige Räume zu kontrollieren. Sie mussten primär im Halbraum stehen, damit auch die zweite Pressinglinie horizontal kompakt stand. Aber die Flügel wurden dadurch häufig präsenzlos, was die Tschechen zum Anlass für einige Vorstöße beziehungsweise Verlagerungen auf den anderen Flügel nahmen.

Durch Turans Positionierung im Halbraum nahm ihm Terim gleichzeitig auch einige seiner Stärken im Defensivverhalten. Sowohl Turans gute Deckungsschattennutzung, als auch seine kluge Positonierung, um im hohen Pressing die Kompaktheit zu wahren, konnte überhaupt nicht effektiv genutzt werden. Stattdessen sah er sich oft mit einigen herannahenden tschechischen Akteuren konfrontiert, die aufgrund der Unkompaktheit leicht über die Flügel nach vorne stoßen konnten. Die gute türkische Strafraumverteidigung verhinderte allerdings gefährliche Chancen vonseiten des Gastgebers.

Turan’sche Interpretation der ‘falschen Neun’

In der zweiten Hälfte nahm Terim einige Umstellungen vor. Es sollten keine personellen, sondern vielmehr taktische Veränderungen sein, die der Türkei letztendlich zum Sieg verhalfen. Gleich mehrere Veränderungen nahm der Teamchef an der eigenen Ausrichtung vor, die da wären:

  • die Umstellung auf ein ‘normales’ 4-2-3-1. Tufan stand nun zunehmend öfter auf einer Horizontallinie mit Sechser Inan, während Turan und Calhanoglu die Flügelpositionen übernahmen und dabei auch weit in das Zentrum rochieren konnten. Özyakup blieb dabei Zehner und Cenk agierte als normaler Stoßstürmer im gegnerischen Zwischenlinienraum. Gegen den Ball formierte man sich nun im konservativen 4-4-1-1/4-4-2 und blieb dabei auch kompakter. Zudem konnte man nun auch konstruktiver vor den tschechischen Strafraum gelangen, doch entscheidende Durchbrüche gegen die gegnerische Strafraumverteidigung blieben aus.

Im Verlaufe der zweiten Halbzeit entschied sich Terim dann zu einer weiteren Umstellung, die für Turan eine äußerst interessante Änderung zur Folge hatte. Diese wäre:

  • die Positionierung Turans als Neuner. Turan lief dann tatsächlich im Sturmzentrum auf, hielt sich dort allerdings nicht allzu lange auf. Der Türke wich immer in die ballnahen Halbräume aus beziehungsweise kippte situativ auch gänzlich auf dem ballnahen Flügel ab, während ein ballferner Akteur (zDribbling Turan Türkei EM 2.0umeist Calhanoglu) Präsenz im Zwischenlinienraum gab. Damit ähnelte er in gewisser Weise einer falschen Neun, die ebenfalls situativ bestimmte Räume besetzt. Durch ein genau solches Abkippen im linken Halbraum konnte Turan in der 80. Minute mit einem kleinen Dribbling hinter die zweite gegnerische Linie gelangen. Danach setzte er zu einer Halbraumflanke an, die Calhanoglu annahm und darauf zum 2-0 abschloss. Im eigenen Defensivverhalten positionierte sich Turan relativ klar als Spitze vor seinen anderen Kameraden. Dies ähnelte einem 4-1-4-1 in tieferen Phasen beziehungsweise einem 4-4-1-1/4-4-2 im Mittelfeldpressing, was die Tschechen oftmals zu langen Bällen verleitete. Diese konnten die Türken aber gut unter Kontrolle bringen.

Dem 2:0 war zuvor ein Elfmeter vorausgegangen, den die Türken nach einem Standard rausholten. Turan wurde schlussendlich in der 86. Minute ausgewechselt, wobei sich der Spielstand nicht mehr verändern sollte. Es blieb damit beim 2:0 Sieg der Türkei über Tschechien.

Fazit

Es war eine insgesamt eine eher unglückliche Partie für Turan, die wenig Rückschlüsse auf seine jetztige Form zulässt. Er konnte seine gute Technik aufgrund des wenig konstruktiven türkischen Spielaufbaus selten zeigen und musste im Defensivverhalten riesige Räume abdecken, ohne dabei aber seine Stärken demonstrieren zu können. Zudem musste er im Verlaufe der Partie sowohl den Achter, Flügelstürmer, als auch Stürmer beziehungsweise die falsche Neun geben.

Dennoch steht letzten Endes erneut ein Scorerpunkt auf dem Konto des türkischen Spielers zu Buche, der den entscheidenden Gnadenstoß gegen die tschechische Mannschaft markierte. Insofern konnte der Neuzugang des FC Barcelona sowohl für seinen neuen Arbeitgeber, als auch für das letzte und alles entscheidende Gruppenspiel seiner türkischen Mannschaft gegen Island ein wenig Selbstvertrauen sammeln.

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