Vorschau ‘El Clásico’ – Wie gut sind die Mannschaften taktisch drauf?

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Nun kommen wir schon zum fünften Teil unserer Clásico-Vorschau – dem Artikel für alle Taktikfanatiker. Unser Forenmitglied “Grandoli Newells Barça” hat die Spielweisen der beiden Mannschaften genauer unter die Lupe genommen. Und weil sein Beitrag locker das Zeug zum “Beitrag der Woche” hat, in der nächsten Woche allerdings an Aktualität verlieren wird, erscheint er bereits heute auf der Barçawelt-Startseite. Auf geht’s in den Taktik-Dschungel.

Madrids Spielaufbau und die Konter

Die Madrilenen versuchen sich in dieser Saison eines geordneten Spielaufbaus zu bedienen. Zu Anfang der Saison klappte das kaum, inzwischen greifen die einen oder anderen Mechanismen besser und es gibt teilweise gute Ansätze bei ihnen. Sie versuchen sauber nach vorne zu spielen und sich Chancen durch Kombinationen zu erarbeiten. Allerdings sind sie noch ein ganzes Stück davon entfernt, diese Spielweise erfolgreich gegen Gegner mit einer starken Defensive zu spielen. Ihr größtes Manko ist die fehlende Geduld bei Ballbesitz. Viel zu schnell verfallen sie in ein ineffektives Flanken in den Strafraum, was gegen Barça natürlich auch nicht ungefährlich wäre.

Die Konter von Real Madrid waren unter Mourinho mitunter ihre gefährlichste Waffe. Sie waren tödlich, Real Madrid war zusammen mit Dortmund wohl eine der konterstärksten Mannschaft überhaupt. Diese Saison sieht das anders aus. Der wichtigste Spieler im Umschaltspiel war Mesut Özil. Der ist jetzt weg. Auch Xabi Alonso kann Konter initiieren, aber er war jetzt mehrere Monate verletzt, und wie er im neuen System zurechtkommt, kann man noch nicht wirklich sagen. Abgesehen davon ist er für El Clásico noch nicht fit, daher können wir ihn hier auslassen. Da ein Zielspieler im Umschaltspiel wie Özil zurzeit fehlt, wird der Ball aus der Verteidigung eher ohne exaktes Ziel wieder ins Spiel gebracht. Gelangt der Ball aber auf rechts zu di Maria, könnte es bei einem Konter gefährlich werden, da er gute weite Bälle spielt. Er entscheidet sich aber auch regelmäßig für ein Dribbling, was ebenfalls sehr gefährlich sein kann. Ein Gegenpressing wäre hier also sehr sinnvoll, dazu später mehr. Auf der anderen Seite würde der Ball von Cristiano empfangen werden. Der hat seine Stärken aber weiter vorne, im Spielaufbau ist nicht immer ganz nachvollziehbar, wieso er welche Entscheidung trifft. Am gefährlichsten ist es, wenn Cristiano vorne bleibt und ein langer Ball ihn in der Spitze erreicht. Gewisse Mechanismen, um dieses Ziel wie unter Mourinho zu erreichen, sind in dieser Saison nicht vorhanden oder greifen noch nicht konsequent. Das führt uns zum nächsten Punkt, der Rolle von Cristiano Ronaldo.

Ronaldos Rolle in der Mannschaft

Die Rolle von Cristiano Ronaldo in der Mannschaft hat sich im Vergleich zur letzten Saison verändert. Unter Mourinho spielte er auf dem linken Flügel und konnte beliebig auf den rechten und ins Zentrum rücken. Er hatte wenige defensive Pflichten und kaum kollektivtaktische Aufgaben, wie zum Beispiel die Herstellung von Breite durch das Verharren auf dem Flügel. Allerdings hatte Mourinho, taktisch bekanntlich sehr versiert, ein ganzes Arsenal an Mechanismen installiert, um Cristiano das Maximum an Freiheiten zu geben, ohne dem Team die Stabilität zu nehmen. Zum Beispiel installierte er eine starke Asymmetrie. Di Maria war mit vielen defensiven Pflichten beauftragt und Arbeloa auf der rechten Außenverteidigerposition rückte kaum nach vorne. Durch die leichte Überladung der rechten Defensivseite rückte die Abwehrkette nach links, um das Aufrücken von Marcelo aufzufangen. Dieser rückte nämlich stark nach vorne, um dem Spiel die Breite zu geben, damit Cristiano ins Zentrum rücken oder den Flügel wechseln konnte.
Einer der wichtigsten Akteure bei Mourinhos System in Bezug auf Cristiano war Özil. Er fungierte als Nadelspieler und eine seiner wichtigsten Aufgaben war es, das Spiel zu lesen und die Bewegungsmuster von Cristiano aufzufangen beziehungsweise zu kompensieren. Er unterstütze oftmals Marcelo beim Spielaufbau über links (hierbei rückte jeweils Khedira zentral etwas nach vorne, um die Lücke zu schließen) oder er besetzte den rechten Flügel, wenn Cristiano zentral stand und Benzema leicht auf links auswich. Di Maria kippte dabei nach innen und half beim Spielaufbau. Wenn Özil sich zentral aufhalten konnte, blieb die Doppelsechs hinten und sicherte ab. Mourinho hatte also einen Weg gefunden, dass Cristiano sich in der Offensive frei bewegen konnte, ohne dass das Spiel aus dem Gleichgewicht geriet oder die Defensive zu anfällig wurde. Das Spiel war allerdings deutlich Cristiano-lastiger als in der Vorsaison, was Real Madrid schlussendlich nicht gut getan hat. Man hätte daher erwartet, dass Ancelotti Cristiano wieder anders einsetzen würde, dem ist aber nicht so.

Mit dem neuen Trainer hat Cristiano weiterhin sämtliche Freiheiten, noch mehr als letzte Saison sogar. Ancelotti hat sogar öffentlich gesagt, dass Cristiano nicht nach hinten arbeiten müsse und sich seine Position auf dem Spielfeld frei aussuchen könne. Cristiano ist aktuell also überall zu finden. Auf rechts, auf links, im Sturmzentrum und im offensiven Mittelfeld. Die größte Gefahr strahlt er definitiv auf links und im zentralen Sturm aus. Sobald er sich ins Mittelfeld fallen lässt, verliert er an Gefährlichkeit. Das eigentliche Problem beziehungsweise der Vorteil für die Gegner ist folgender: Ancelotti hat nur wenige der Auffangmechanismen erhalten und kaum neue installiert. Die Konsequenz ist, dass Real Madrid Konter nur sehr schlecht verteidigen kann, da die Asymmetrie aufgehoben ist und kaum ein Pressing eingeführt wurde. Die Spieler bekommen also weder den Ball schnell genug zurück, wenn sie ihn verlieren, noch haben sie bei schnellem Umschalten genug Spieler hinter dem Ball. Da ein Nadelspieler im Mittelfeld fehlt und Cristiano zumeist den Weg ins Zentrum sucht, findet ein Spielaufbau über die linkte Seite zurzeit kaum statt. Auch sind auf der linken Seite oft Lücken in der Rückwärtsbewegung, da die Verteidigung weniger verschieben kann, da auch der rechte Außenverteidiger (zum Beispiel Carvajal) mit nach vorne geht und di Maria mitstürmt, Cristiano aber wenig nach hinten arbeitet.

Pressing und Rückwärtsbewegung

Hier kann man es kurz machen. Ein starkes, kollektives Pressing ist bei den Madrilenen aktuell nicht vorhanden. Weder ein Offensiv- oder Gegenpressing, noch ein gemeines Pressing aus der Grundformation heraus. Es wird in der Defensivformation der ballführende Spieler angegangen und es wird versucht, in der Offensive Überzahlsituationen zu erzeugen, die teilweise zu schnellen Rückeroberungen der Prellbälle führen – das war es dann aber auch schon größtenteils. Ob Real Madrid in der Lage sein wird, in der Startphase ein so mörderisches Offensivpressing zu spielen wie unter Mourinho, ist momentan eher zweifelhaft.

Wie bereits erläutert, fehlen bei Real Madrid zurzeit viele Mechanismen, die sie letzte Saison stabiler stehen ließen. Ohne nochmal alle aufzuzählen, folgt hier die Aufzählung der Konsequenzen: Real Madrid ist anfällig für Konter. Weder die Rückwärtsbewegung noch die Absicherung, noch die Zuordnung bei Gegenangriffen stimmt konstant. Es wäre verheerend, das in El Clásico nicht auszunutzen. Zu diesem Punkt gehört auch das fehlende Pressing. Wenn sie hinten schon nicht sicher stehen, dann sollten sie vorne wenigstens dafür sorgen, dass sie den Ball schnell wieder bekommen. Das passiert aber nicht konsequent genug. Kurz gesagt, das Pressing, wenn man es denn überhaupt so bezeichnen will, lässt sich überspielen.

Wie schlägt man Real Madrid?

Die Startphase wird entscheidend sein. Barça muss unbedingt mit Vollgas in die Partie gehen, wenn Barça wie so oft in den letzten Clásicos die Startphase verschläft, dann verspielen sie einen immens nützlichen Joker. Barça sollte von Anfang an mit einer hohen Intensität spielen und die Madrilenen sofort unter enormen Druck und ein intensives Pressing setzen. Viele Mechanismen in der Defensive und vor allem im Spielaufbau klappen bei ihnen noch nicht. Real Madrid ist aktuell nicht in der Lage, ein extremes Offensivpressing zielgerichtet zu umspielen und auch nicht ein intensives, schnelles Tiki Taka zu verteidigen. Diese beiden Punkte, also enormes Pressing und extrem intensives und schnelles Spiel, können zum Erfolg führen. Wenn man es schafft, in der Startphase, also grob in den ersten 20 Minuten, in Führung zu gehen, dann könnte Barça das Tempo etwas herausnehmen und den Ball laufen lassen. Real Madrid hat zurzeit aufgrund des fehlenden Pressings nur beschränkte Mittel, um so an den Ball zu kommen. Das würden sie aber mit einem erhöhten Laufpensum und ihrer Physis wettmachen können, was Barça aber den nächsten Vorteil verschafft. Wenn die Spieler nicht in ein koordiniertes Pressing übergehen können, dann müssen die Einzelspieler die Katalanen unter Druck setzen. Das reißt allerdings Lücken in den Defensivverbund, die man dann ausnutzen müsste durch ein schnelles Umschalten – das machte Madrid in dieser Saison große Probleme. Durch diese Spielweise würde Barça das Spiel kontrollieren und die Madrilenen zwingen ein erhöhtes Laufpensum einzugehen, was an ihren Kräften zehren würde. So könnte Barça die physische Unterlegenheit kompensieren. Eine Führung ist dafür aber fast zwingend notwendig. Solange es unentschieden steht, werden die Madrilenen sicherlich nicht unnötig lange Wege eingehen. Auch mit Tata Martinos verbesserten Absicherung gegen Konter und ihrer abgeschwächten Konterstärke können die Madrilenen Barça damit noch empfindlich treffen.

Stärken von Madrid gegen Barça

Aktuell greifen Barças Mechanismen besser. Die Mannschaft ist besser eingespielt und das Spiel läuft flüssiger. Madrid hat mehr Probleme im Kreieren von Chancen und im Spielaufbau. Allerdings haben die Madrilenen das ideale Spielermaterial, um Barças Schwächen gezielt zu treffen. Sie haben nach wie vor extrem schnelle Spieler und sind physisch überlegen. Auch ein unpräziser weiter Ball, ein simples Wegschlagen aus der Defensive kann die ‘Blaugrana’ gefährlich werden, wenn die Madrilenen zum Beispiel den zweiten Ball erobern können. Wenn das Gegenpressing von Barça ins Leere läuft und die Madrilenen Cristiano oder di Maria schicken können, sind sie im schlimmsten Fall durch. Das Ungünstige hierbei ist, dass es auch gefährlich wird, wenn aus einem solchen Konter kein direktes Tor entsteht. Auch ein Freistoß nach einem Zweikampf oder ein Eckball nach verhindertem Direktschuss kann für das Tor von Víctor Valdés verheerend sein. Die Madrilenen haben die Lufthoheit und einige sehr starke Kopfballspieler, allen voran Cristiano und Ramos. Ein weiter Punkt ist, dass Barça über das Pressing zum Erfolg kommen muss, da das Mittelfeld im direkten Zweikampf unterlegen ist und auch die Defensive überspielt werden kann, wenn sie auf sich allein gestellt ist. Das heißt: Man muss den Ball vorher zurückerobern und im Fall eines fehlgehenden Gegenpressings muss die Mannschaft unbedingt gut nach hinten rücken und rückwärtspressen. Pressing ist in jedem Bereich des Feldes das Zauberwort. Nur so kann Barça die Madrilenen erfolgreich verteidigen.

Fazit

Barça hat die Mittel, Real Madrid unter einen Druck zu setzen, dem sie nicht standhalten können und ein Pressing zu erzeugen, das sie nicht umspielen können. Allerdings ist dies nur möglich, wenn Barça ein hohes Tempo geht und eine noch höhere Intensität an den Tag legt. Konzentration von Anfang an ist unumgänglich, Barça muss gut ins Spiel kommen und sofort loslegen wie die Feuerwehr. Das wird das Mittel zum Erfolg sein. Wenn man wieder die Startphase verschläft, in Rückstand gerät oder das Spiel nach einer möglichen Führung schleifen lässt, kann das ein böses Ende nehmen.
Wie so oft im El Clásico werden unter Umständen Kleinigkeiten die Entscheidung bringen. Die Tagesform kann entscheidend sein, da beide Mannschaften für die Umsetzung ihres Spiels gegen den Rivalen einen guten Tag erwischen müssen.

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