FC Barcelona gegen Athletic Bilbao – Taktikrückblick

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Bildquelle: fcbarcelona.com

Wow, wow, wow – so oder so ähnlich lächerlich würde sich der Kommentator von PES 2010 ob der einzigartigen Siegesserie der Katalanen auslassen, voller Verblüffung und Anerkennung des Leistungsniveaus. Auch im Spiel gegen Athletic Bilbao gab es für die Mannen von Tito Vilanova kein Halten, fast im Spaziergang fertigten sie die Truppe von Bielsa mit 5:1 ab. Natürlich muss man die Leistung des gestrigen Spiel relativieren, Bilbao durchlebt momentan eine schwere Zeit. Dennoch war es schlichtweg beeindruckend, wie der FC Barcleona den Gegner, insbesondere in Halbzeit eins, im Griff hatte. Bilbao bekam keinen vernünftigen Angriff zustande, ein Verdienst der außerordentlichen Verteidigungsleistung der Katalanen, die stets die richtigen Mittel fanden, um dem Gast den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Iniesta und Fàbregas in der Startelf

Zunächst einmal aber wollen wir einen Blick auf die Startkostüm werfen, das Tito Vilanova auf das Feld geschickt hat. In der Innenverteidigung setzte der Trainer auf Mascherano und Piqué, die von Adriano auf rechts und Alba auf links flankiert worden sind. Im Mittelfeld durften Busquets, Xavi und Fàbregas ihr Können einmal mehr unter Beweis stellen, während Messi, Pedro und Iniesta an unmittelbarer Front für Wirbel sorgen sollten. Das war die formelle Ausgangslage für das Spiel. Faktisch aber war Iniesta nur selten auf dem linken Flügel anzutreffen, sondern agierte wie immer stark invers und bildete damit vielmehr eine Säule im Mittelfeldverbund. Das zeitgleiche Aufgebot von Iniesta und Fàbregas ist stets ein Indiz dafür, dass es Vilanova darum geht, die Mittelfeldpräsenz und die Fluidität im Spiel zu erhöhen. Jordi Alba sollte mit seinem natürlichen Vorwärtsdrang dem Spiel des FC Barcelona die Breite geben, die dadurch systembedingt etwas abhanden geht. Dass Jordi Alba das sehr gut kann, hat er in der Vergangenheit des Öfteren unter Beweis gestellt. 

Athletic zwischen Raum- und Manndeckung

Bielsa ließ seine Mannschaft zunächst ohne Topstürmer Llorente auflaufen, der zur Zeit über ein Dasein als Edelreservist nicht hinauskommt. Mit einem 4-4-2 respektive 4-5-1-System wollte Bilbao der katalanischen Spielgewalt Einhalt gebieten. Das Ziel bestand darin, den FC Barcelona ab dem Mittelfeld scharf zu attackieren und Ballverluste auf Seiten des Gastgebers zu provozieren. Bilbao praktizierte demnach ein Mittelfeldpressing, verzichtete aber beinahe gänzlich auf ein solches Vorgehen im letzten Spielfelddrittel – mit gutem Grund. Bielsa wollte nicht, dass seine Mannschaft das Opfer von hohen Bällen hinter die Abwehr wird, der Raum hinter der Abwehr sollte nicht uferlos werden. Bei einem Angriffspressing müssen alle Mannschaftsteile sehr weit nach vorne verschieben, einschließlich die Abwehr, um tatsächlich alle Schlupflöcher für ein Anspiel vorbei an dem unmittelbaren Pressingverbund auszuschließen. Dadurch wiederum eröffnet sich ein solcher Raum, den der Trainer von Athletic Bilbao zu vermeiden suchte. 

Ab der Mittellinie erwartete Athletic Bilbao die Katalanen demnach mit einer harter Arbeit gegen den Ball. An dem Pressing beteiligten sich auch die Abwehrspieler, die zuweilen sehr weit von ihrer angestammten Position abrückten und ihren unmittelbaren Gegenspielern bis weit ins Mittelfeld hinein folgten, um alle Anspielstationen zuzustellen. Dass die Abwehrspieler solche weiten Wege zurücklegen mussten, lag daran, dass der Abstand zwischen Mittelfeld- und Abwehrverbund verhältnismäßig groß war. Die Priorität bestand für den Trainer also tatsächlich darin, den Raum hinter der Abwehr nicht zu groß werden zu lassen. Mit diesem Vorgehen nahm er in Kauf, dass die Kompaktheit seiner Mannschaft ins Mitleidenschaft gezogen wird und ein dynamisches Schließen von Lücken und Zustellen von Gegenspielern im Mittelfeld nicht immer gewährleistet werden kann, mit anderen Worten das Mittelfeldpressing ins Leere läuft.

Im Verlauf des Spiels sollte sich zeigen, dass die stark mannorientierte Spielweise, die der Zielsetzung des Mittelfeldpressings geschuldet war und die einen hohen Aktionsradius der Spieler von Bilbao voraussetzte, gleichzeitig ein großes Defizit war und dem Gast im Camp Nou zum Verhängnis wurde. Bilbao war bestrebt, die Vorteile der Raumdeckung mit Elementen einer Manndeckung situatitiv zu verbinden. Dadurch, dass die Spieler Bilbaos ihren Gegenspielern mangels Kompaktheit häufig sehr weit folgen mussten und damit weit von ihrer angestammten Position abrückten, war es der Blaugrana möglich, große Lücken beim Gegner entstehen zu lassen. Bilbao war wie maßgeschneidert für die fluide Ausrichtung des FC Barcelona, in der es zahlreiche Positionsrochaden gab. Nicht selten wurde damit der Defensivverbund von Athletic entblößt und nicht selten ergaben sich idyllische Verhältnisse für die Angreifer, die urplötzlich frei durch waren. 

FC Barcelona mit einer ausgewogenen Leistung

Trotz großem und respektablem Einsatz von Bilbao konnten sie dem FC Barcelona mit dieser Spielweise nicht standhalten. Das war zu viel Manndeckung auf Kosten der Raumdeckung, womit die Grundordnung nicht immer Bestand hatte. Das war die eine Seite der Medaille für den FC Barcelona am gestrigen Abend. Die Kehrseite kann sich aber ebenfalls sehen lassen, in der ersten Halbzeit kam Bilbao zu keiner nennenswerten Tormöglichkeit. Überwiegend gelang es den FC Barcelona, den Gegner sehr weit vom eigenen Tor fernzuhalten und eine potenzielle Gefahr im Keim zu ersticken. Die Defensivarbeit der Katalanen nahm beim Angriffspressing ihren Anfang. Das Angriffspressing von Tito Vilanova unterscheidet sich maßgeblich von jenem in der Guardiola-Ära. Es ist ein latentes Pressing, das dem Gegner etwas Raum zum Atmen gibt und ihm das Bewusstsein vermitteln soll, dass eine spielerische Lösung womöglich doch realisierbar ist. Wenn der Ball dann aber in torentferntere Bereiche wandert, intensiviert der FC Barcelona das Pressing und die Falle schnappt zu. Athletic Bilbao ist aufgrund der passorientierten Spielweise und des Verzichts auf hohe Bälle sehr gut geeignet für ein Angriffspressing. 

Weil das Pressing unter Vilanova nicht mehr so hart und kompromisslos durchgeführt wird, besitzt die Mannschaft mehr Optionen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Grundordnung jederzeit vorhanden war und das ein Umspielen des Pressings nicht mehr mit einem Gegentor gleichgesetzt werden kann. Insofern ist das Risiko stark minimiert. Desgleichen kann die Mannschaft leichter auf eine passivere Strategie umschalten, die Wege zurück sind nicht mehr so weit. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Auftreten der Mannschaft gestern sehr ausbalanciert war und dem Gegner nur wenige Möglichkeiten eröffnete, sich zu profilieren. Die Defensivhaltung des FC Barcelona, wie sie die Großzahl der Angriffe parieren und wie sie Überzahlsituationen herstellen, ist ein Thema für sich und würde diesen kurzen Taktikbericht sprengen. Allein die Implikationen der zurückarbeitenden Flügelstürmer ist bereits ein hochspannendes Themenfeld, das eine Abhandlung verdient hätte. Für den Moment soll es aber genügen, dass bei einer steten Überzahl dem Gegner im Angriff nur wenige Möglichkeiten bleiben. Gestern konnte Bilbao aus dem Ballbesitz nur wenig Gehaltvolles erspielen, zu schnell wurden ihre Spieler von den Mitspielern isoliert und verloren den Ball. Ein nahezu perfektes Spiel des FC Barcelona, zumindest in der ersten Halbzeit.

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